Bayern streitet mit Nachbarländern heftig über geplante Stromtrasse

18.05.2015 | Stand 02.12.2020, 21:17 Uhr

München (dpa) Zwischen Bayern, Baden-Württemberg und Hessen tobt ein neuer, heftiger Streit über eine geplante Stromtrasse von Nord- nach Süddeutschland. Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) wies am Montag heftige Kritik aus den Nachbarländern an einem neuen Trassenvorschlag aus München zurück.

Dieser sieht vor, den sogenannten SuedLink nach Westen zu verschieben, womit beide Nachbarn deutlich stärker belastet würden. Hessens Regierungschef Volker Bouffier (CDU) sagte dazu: "Egal, was in Bayern gedacht, geredet oder geschrieben wird, es wird keine Verlagerung der Trassenführung gegen die hessischen Interessen geben." Und auch aus Stuttgart kam Kritik.

Seehofer sagte vor einer CSU-Vorstandssitzung in München zu der bayerischen Idee: "Das hat nichts mit Sankt-Florians-Prinzip zu tun, sondern mit einer vernünftigen Energiepolitik." Baden-Württemberg brauche den SuedLink ohnehin und habe diesen auch begrüßt. Nun gehe es nur darum, wo man einen Zweig nach Bayern führe. Und wenn man den SuedLink von der Nordsee nach Baden-Württemberg führen wolle, dann müsse dieser eben durch Hessen führen. "Der kann nur durch Hessen gehen", betonte Seehofer. "Wo soll er denn sonst durchgehen?"

Zudem rechtfertigte Seehofer das hartnäckige bayerische Vorgehen mit den Milliardenzahlungen Bayerns etwa in den Länderfinanzausgleich. "Dann darf man schon mal bayerische Interessen in anderen Bereichen - unter Einbettung in die Gesamtpolitik - vertreten", sagte er.

Bayerns Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) rechnete vor, dass nach den bisherigen Plänen 400 Kilometer neue Stromleitungen in Bayern gebaut werden müssten und nur 100 in Baden-Württemberg. Durch die neuen bayerischen Vorschläge würde dies deutlich ausgewogener.

In einer am Wochenende bekanntgewordenen Stellungnahme zu den Netzausbauplänen der Bundesnetzagentur plädiert das bayerische Wirtschaftsministerium für die Verschiebung der Trasse nach Westen. Die Trasse soll demnach nicht ins unterfränkische Grafenrheinfeld führen und von dort weiterverteilt werden, sondern direkt nach Baden-Württemberg - mit einem Zweig ins bayerisch-schwäbische Gundremmingen. Seehofer sagte hierzu, am Anfang sei auch gar nicht vorgesehen gewesen, dass der SuedLink durch Bayern führen solle. Und Aigner fügte hinzu, es sei auch aus Sicherheitsgründen nicht sinnvoll, zu viele Trassen in Grafenrheinfeld zu bündeln. Dort soll auch die sogenannte Thüringer Strombrücke in Bayern ankommen.

Hessens Ministerpräsident Bouffier kündigte in der "Passauer Neuen Presse" (Montag) energischen Widerstand an. "Wir werden gegen diese bayerischen Vorstellungen Widerstand leisten und auf gar keinen Fall hessische Interessen opfern", sagte er. Und auch aus Stuttgart hieß es, es gebe keinen Grund, vom vereinbarten Verfahren abzuweichen.

Seehofer deutete unterdessen erstmals an, dass es vermutlich doch zwei neue Höchstspannungstrassen geben könnte - neben der Thüringer Strombrücke. Er betonte zwar: "Wir sagen: Zwei minus X. Gilt nach wie vor." Wenn aber andere Wege nicht einigungsfähig seien, dann wolle man den SuedLink mit Abzweig nach Gundremmingen und die sogenannte Süd-Ost-Trasse "unter Nutzung bestehender Trassen" nach Landshut oder Ingolstadt. "Das ist unser Verhandlungs-, unser Gesprächsangebot."

Vor allem gegen letztgenannte Trasse hatte sich Seehofer stets heftig gewehrt. Diese sollte nach bisherigen Plänen quer durch Bayern ins schwäbische Meitingen führen. Das könne man der Bevölkerung aber nicht erklären, betonte der Ministerpräsident. Insofern sei die bayerische Alternativ-Überlegung "nur sinnvoll". "Dass kann doch niemand im Ernst bestreiten, dass eine Nutzung einer bestehenden Stromtrasse besser ist als das Durchkreuzen ganz Bayerns", sagte er.

Grünen-Landtagsfraktionschef Ludwig Hartmann griff Seehofer frontal an. "Energiepolitik ist keine Spielwiese für populistische Wackelpolitiker", sagte er. "Bei Planungshorizonten bis zu einem Jahrzehnt ist es verantwortungslos, wenn man gestern Stromleitungen fordert, sie heute ablehnt und morgen gerne woanders hätte." Aigner und Seehofer setzten mit ihrem "Stromleitungspoker" die Versorgungssicherheit Bayerns aufs Spiel, kritisierte Hartmann.