München
Neue Pläne für die Stromautobahnen

Bürger sollen frühzeitig beteiligt werden Unterirdische Trassen werden nicht vor 2025 fertig

27.09.2016 | Stand 02.12.2020, 19:15 Uhr

München (DK) Nach jahrelangen Protesten und politischem Gerangel werden die umstrittenen Stromautobahnen neu geplant. Seit gestern sind die Pläne offiziell. Die Opposition wirft der CSU schwere Versäumnisse vor.

Es beginnt mit einer Wortglauberei: Hier würden die Trassenpläne nicht vorgestellt, sagt Ilse Aigners (CSU) Sprecherin. Das obliege dem Netzbetreiber Tennet. Die Wirtschaftsministerin und ihr Staatssekretär kommentierten die Pläne lediglich. Und so "kommentieren" die beiden also ausführlichst die Pläne, Landkarten mit möglichen Verläufen inklusive.

Zu sehen ist darauf unter anderem, dass die beiden Stromtrassen, die künftig sauberen Strom aus dem Norden und Osten Deutschlands nach Süden transportieren sollen, von einer konkreten Festlegung noch weit entfernt sind. Es gibt mehrere Varianten, bei denen besonders schützenswerte Räume wie die Rhön oder das Fichtelgebirge aber durchgehend umgangen werden.

Eine "Vorzugstrasse" solle erst bis zum kommenden Frühling erarbeitet werden, sagt Staatssekretär Franz Josef Pschierer (CSU) - unter enger Einbeziehung der Bevölkerung: "Wir werden Tennet auch beim Wort nehmen, was die Bürgerbeteiligung angeht", betont er. In den kommenden Wochen soll es zahlreiche Infoveranstaltungen und Workshops in den betroffenen Kommunen geben. Berechtigte Einwände würden bei der Planung berücksichtigt.

Es soll nicht wieder enden wie beim ersten Versuch: Vor zwei Jahren hatten die Pläne für die Stromautobahnen solch massiven Protest in der bayerischen Bevölkerung hervorgerufen, dass die CSU sich auf die Seite der Bürgerinitiativen schlug und die "Schlagadern der Energiewende" sogar ganz infrage stellte.

Vor einer solchen Wiederholung sieht sich Aigner diesmal nicht nur durch die frühzeitige Einbeziehung der Kommunen und Bürger gefeit. Auch die nun geplante komplette Verlegung der Verbindungen unter die Erde, durch die die Kosten um ein Vielfaches auf mindestens zwölf Milliarden Euro steigen, werde die Akzeptanz erhöhen, glaubt sie. Auf der Wiese werde man von den 15 Meter breiten Grabungen schon nach zwei Jahren gar nichts mehr sehen. Nur in den Wäldern werde eine Schneise zurückbleiben, weil über den Leitungen keine tiefen Wurzeln wachsen könnten.

Der Zeitplan jedenfalls, ist sich Aigner sicher, werde durch Proteste diesmal sicher nicht massiv verzögert. Allerdings ist die bisherige Ablaufplanung ohnehin recht schwammig. Nach 2017 gehe es in ein normales Planfeststellungsverfahren, "und dann ist immer die Frage, wann Baubeginn ist. Irgendwann Anfang 2020 oder 23 oder 24, ich kann es schlecht abschätzen", sagt Aigner. Tennet rechnet mit einer Inbetriebnahme von Süd-Link und Südost-Link laut Mitteilung "nicht vor dem Jahr 2025". Damit werden die Megastromleitungen, die eine Übertragungskapazität von zwei Gigawatt haben werden, frühestens drei Jahre nach Abschaltung des letzten Atomkraftwerks fertig. Dennoch wird es laut Aigner keine Versorgungsengpässe in Bayern geben. Der Freistaat werde genug Back-up-Möglichkeiten aufbauen, versichert sie.

Die Freien Wähler sind allerdings nach wie vor überzeugt, dass die Trassen unnötig sind. Deren Energieexperte Thorsten Glauber wirbt für eine dezentrale Bürgerenergiewende. Bayern müsse selbst den Ausbau erneuerbarer Energien vorantreiben, statt Strom über die großen Leitungen ins Land zu holen. Die CSU sabotiere dies aber - etwa durch die 10 H-Abstandsregelung für Windräder.

SPD und Grüne werfen der Staatsregierung dagegen vor, den Leitungsbau unnötig verzögert zu haben. Die CSU habe durch ihren "Anti-Stromtrassen-Populismus" die Bevölkerung tief verunsichert, sagt SPD-Generalsekretärin Natascha Kohnen. Dass Aigner und Ministerpräsident Horst Seehofer der Bevölkerung weismachen wollten, dass die Trassen überflüssig seien, habe zu massiven Verzögerungen geführt. "Das hat uns zwei Jahre Zeit in der Energiewende gekostet, die wir nicht haben", kritisiert die SPD-Energiepolitikerin.

Der energiepolitische Sprecher der Grünen, Martin Stümpfig, spricht von einem "Bärendienst", den die CSU dem Land erwiesen habe. Auf die Stromkunden kämen nun aufgrund teurer Ausgleichsmaßnahmen gegen Netzschwankungen erheblich höhere Netzentgelte zu. "Das ist ein Seehofer-Säumnisaufschlag, den die Menschen in Bayern deutlich im Geldbeutel spüren werden", erklärt er.