München
Streit um Volkes Wille

Warum die Grünen gegen die von der CSU geplanten Volksbefragungen klagen

21.11.2014 | Stand 02.12.2020, 21:57 Uhr

Demonstration vor dem Justizpalast: die innenpolitische Sprecherin der Grünen, Katharina Schulze - Foto: Auerbach

München (DK) Das Gesetz der CSU für Volksbefragungen ist noch nicht beschlossen, dennoch haben die Grünen am Freitag beim Verfassungsgerichtshof Klage dagegen eingereicht. Dabei wollen eigentlich alle Parteien im Landtag mehr Bürgerbeteiligung. Die Frage ist nur: Wie weit soll die gehen

Die Aktion ist mit einigem Aufwand inszeniert. In der Früh posiert die innenpolitische Sprecherin der Grünen, Katharina Schulze, vor dem Justizpalast. In der Hand ein Schild, das wie ein überdimensionaler Briefumschlag aussieht. Adressiert an den Verfassungsgerichtshof. Betreff: Klage gegen die sogenannte Volksbefragung.

Den Grünen geht das geplante Modell nicht weit genug. Ein „Beteiligungsplacebo“ sei das, was die Staatsregierung mit ihrem Entwurf vorhabe, wettert Schulze. Die Bürger sollen zwar zu wichtigen Sachentscheidungen befragt werden. Ihr Votum soll aber für die Staatsregierung nicht bindend sein. Das Instrument hatte Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) kurz nach der Landtagswahl per Regierungserklärung angekündigt. Nach Ansicht der Staatsregierung kann es eine Lücke bei der Bürgerbeteiligung in Bayern schließen.

Volksbegehren und Volksentscheide sieht die Verfassung schon seit jeher vor. Sie können aber nur zu Gesetzentwürfen stattfinden. Zu wichtigen Einzelentscheidungen – etwa dem Ausbau des Münchner Flughafens oder der Donau – gibt es bisher keine Möglichkeit, das Volk zu befragen. Dazu kann die Staatsregierung nur Meinungsumfragen in Auftrag geben.

Das Konzept der CSU ist allerdings umstritten. Der Ausgang einer Volksbefragung soll demnach für die Staatsregierung nicht bindend sein. Außerdem soll nur die Staatsregierung selbst eine Befragung einleiten können – mit Zustimmung der Landtagsmehrheit. Damit hätte künftig nur die CSU Einfluss darauf, was wann wie gefragt würde.

Das halten die Grünen für verfassungswidrig. Die 20-seitige Klage hat der Augsburger Verfassungsrechtler Josef Franz Lindner aufgesetzt. Sollte das Instrument wie geplant kommen, verschiebe es die Machtverteilung zwischen den Staatsorganen verfassungswidrig zugunsten der Regierung, argumentiert der Professor. Zudem würden die Rechte der Opposition verletzt, wenn sie keinerlei Einfluss darauf habe. Da das Gesetz noch gar nicht verabschiedet ist, gehen die Grünen im Rahmen einer vorbeugenden Meinungsverschiedenheit gegen die CSU-Pläne vor – offenbar ein Novum in Bayern. Sie erwarte, dass der Landtag erst dann abstimme, wenn das Verfassungsgericht entschieden habe, sagte Schulze. In einer Expertenanhörung im Landtag war der Gesetzentwurf unterschiedlich bewerten worden. Drei hielten ihn für verfassungskonform, drei hatten deutliche Bedenken.

Das Vorpreschen der Grünen sehen die anderen Oppositionsparteien kritisch. Übereilte „Effekthascherei“ wirft der Chef des Verfassungsausschusses, Franz Schindler (SPD), ihnen vor. Der Rechtsexperte der Freien Wähler, Florian Streibl, plädiert dafür, erst die parlamentarischen Möglichkeiten auszuschöpfen. Auch SPD und Freie Wähler lehnen den Gesetzentwurf der Staatsregierung ab. In der Frage, was man anders machen sollte, gehen die Meinungen aber auseinander.

Die SPD hält Volksbefragungen grundsätzlich für sinnvoll, fordert aber, dass sie auch von der Opposition initiiert werden können. Die Freien Wähler wollen, dass auch das Volk selbst eine Frage zur Abstimmung stellen kann. Das Ergebnis solle dann für die Staatsregierung bindend sein. Die Grünen lehnen das neue Instrument dagegen grundsätzlich ab. Sie würden gerne die bestehenden Instrumente Volksbegehren und Volksentscheid so weiterentwickeln, dass sie auch über Sachfragen möglich sind.

Der Landtag wird wohl frühestens Anfang des kommenden Jahres über den Gesetzentwurf entscheiden. Vorausgesetzt der Verfassungsgerichtshof hat ihn nicht schon vorher kassiert.

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