München
Seehofer auf der Siegerstraße

Das G 8 hat die CSU-Fraktion endgültig aufgegeben, beim Kommunalwahlrecht kämpft sie noch

29.03.2017 | Stand 02.12.2020, 18:24 Uhr

München (DK) Der Ministerpräsident ist gar nicht da und doch steht er im Mittelpunkt. Allerdings in ungewohnter Rolle. Denn statt seiner Parteifreunde von der CSU vereinnahmen die Oppositionsparteien Horst Seehofer gestern im Landtag für sich und zitieren genüsslich seine Worte.

Die geplante Reform des Kommunalwahlrechts nutze nur einem, habe Seehofer gesagt - und zwar der CSU, betont Joachim Hanisch (Freie Wähler). Seehofer stehe auf der Seite der Sozialdemokraten, sagt SPD-Mann Harry Scheuenstuhl.

Der bayerische Ministerpräsident aufseiten der Sozis? Das kann und will CSU-Fraktionsvize Josef Zellmeier so nicht stehen lassen. Er bemüht sich, die Meinungsunterschiede zwischen Regierungschef und Fraktion zu kaschieren und wirft der Opposition Stimmungsmache vor. In der Sache aber gibt Zellmeier keinen Meter nach. Er preist die Vorteile des d'Hondtschen Auszählverfahrens für Kommunalwahlen und verteidigt das Vorhaben der Fraktion, vom bisherigen Hare-Niemeyer-Verfahren abzurücken. Die Kritik, dass es sich um Missachtung des Wählerwillens oder Machtmissbrauch handle, sei falsch, sagt Zellmeier.

Das allerdings dürfte Seehofer anders sehen. Zwei Wochen ist es her, dass er seine eigene Fraktion rüde in der Öffentlichkeit abgekanzelt hat - mit ähnlichen Vorwürfen, wie sie nun von der Opposition vorgetragen werden. "Wir würden massiv Vertrauen entzogen bekommen", hatte er gewarnt und offen den Machtkampf mit der Fraktion gesucht. Während der Landtagsdebatte weilt Seehofer in Berlin. In Sachen Kommunalwahlrecht sendet die Fraktion aus München das Signal: Diese Idee haben wir noch nicht ganz aufgegeben.

In einem anderen Streitpunkt scheint der Widerstand unter den Abgeordneten dagegen endgültig gebrochen zu sein. Denn der Tag hatte für den abwesenden Seehofer mit einem Sieg begonnen. Als in der Fraktionssitzung am Vormittag das Dauerthema Gymnasiumsreform behandelt wird, bleiben kritische Stimmen nach Teilnehmerangaben aus. Gegen die Rückkehr zum G 9, die in der kommenden Woche endgültig beschlossen werden soll, gibt es keine Widersprüche mehr.

Selbst Seehofer-Gegner geben zu: Er macht das geschickt. In zahlreichen stundenlangen Sitzungen sei das Thema einfach totgeredet worden. So lange, bis die Kampfeslust der G 8-Fans erloschen ist und der G 9-Befürworter Seehofer sich durchgesetzt hat.

Gefeilt wird nur noch an Details der Reformpläne. Bei der "Überholspur" für Schüler, die das Abitur auch weiter in acht Jahren machen wollen, soll in der Regel ausschließlich die elfte Klasse ausgelassen werden können. Im ursprünglichen Konzept des Ministeriums war hier noch eine Wahlmöglichkeit vorgesehen gewesen.

Für die CSU hätte es also ein rundum harmonischer Tag werden können, wenn die Freien Wähler mit ihrem Dringlichkeitsantrag zum Kommunalwahlrecht nicht den Finger in die Wunde gelegt und die Meinungsunterschiede zwischen Regierung und Fraktion noch einmal unterstrichen hätten. "Die Fraktion hat bei uns tatsächlich mit großer Mehrheit entschieden, d'Hondt wieder ins Verfahren zu bringen", sagt Zellmeier.

Dass die Fraktion am Ende ihren Mehrheitswillen bekommt, wird aber auch in CSU-Kreisen bezweifelt. Einige sehen wie beim Gymnasium auch bei diesem Thema Seehofer auf der Siegerstraße. Aber es bleiben ja noch genug andere Themen für CSU-interne Auseinandersetzungen, wie der Grünen-Abgeordnete Jürgen Mistol feststellt: neben G 8/G 9 etwa das Riedberger Horn oder der dritte Nationalpark.