München
Meister des politischen Schachspiels

Markus Söder ist endlich am Ziel: Er wird heute zum bayerischen Ministerpräsidenten gewählt

15.03.2018 | Stand 02.12.2020, 16:41 Uhr

München (DK) Dr. Markus Thomas Theodor Söder - so lautet der vollständige Name des neuen bayerischen Ministerpräsidenten. Geboren am 5. Januar 1967 in Nürnberg, Vater Malermeister, Mutter Hausfrau, studierter und promovierter Jurist, gelernter Journalist und BR-Redakteur. Er ist verheiratet (seine Frau heißt mit Vornamen Karin - wie auch die Gattinnen von Edmund Stoiber und Horst Seehofer), hat zwei Söhne und zwei Töchter, eine davon aus einer Beziehung vor der Ehe. Er war JU-Vorsitzender von 1995 bis 2003, CSU-Generalsekretär unter Ministerpräsident und CSU-Chef Stoiber von 2003 bis 2007, von Ministerpräsident Günther Beckstein 2007 zum Europaminister in die Staatskanzlei berufen, 2008 von Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer zum Umwelt- und Gesundheitsminister gemacht und dann 2011 zum Finanzminister, seit 2013 zusätzlich bayerischer Heimatminister.

Genügen derlei Eckpunkte, um Söder zu charakterisieren? Beileibe nicht. Söder ist das wohl größte Talent, das die CSU derzeit hat: ein Meister des politischen Schachspiels - Stratege, nicht Taktierer. Ein Rhetoriker erster Güte, der im kleinen Kreis ebenso überzeugt, wie er im Bierzelt zündet. Einer, der einen Masterplan ausarbeiten und ihn dann mit langem Atem umsetzen kann. Gleichzeitig gilt er vielen als rüpelhaft und laut. Letzteres mag daran liegen, dass der 1,94 Meter große Söder gerne Klartext spricht - und dass ihn durchaus das Selbstverständnis leitet, dass dort, wo er ist, vorne ist.

Ein Konservativer war Söder seit Kindheitsjahren - und damit schon in einem Alter, in dem andere links sind oder liberal. Der politische Aschermittwoch in Passau galt der Familie Söder als politisches Hochamt, über seinem Bett hing ein Plakat von Franz Josef Strauß. Als Entdecker Söders gilt vielen Stoiber: Er machte ihn zum Generalsekretär. Söder dankte es mit Loyalität. Als Stoiber 2006/2007 immer mehr unter innerparteilichen Druck geriet, bezeichnete sich Söder demonstrativ selbst als "letzten Stoiberianer". Stoiber wiederum kümmerte sich weiter mit Rat und Unterstützung um seinen politischen Ziehsohn. Seehofer etwa soll von ihm bis zuletzt bearbeitet worden sein, Söder endlich als legitimen Nachfolger anzuerkennen. Und Söder holt sich bis heute Rat bei Stoiber.

Söders erstes Ministerium war eigentlich gar keines: Der Europa- und Bundesratsminister saß mit ein paar Mitarbeitern in der Staatskanzlei - unter den Augen des Ministerpräsidenten und des Staatskanzleiministers. Er focht derlei aber nicht an, stürzte sich in die Arbeit, nannte sich den "bayerischen Außenminister" (ein Amt, das es in Bayern gar nicht gibt) - und verbreitete erfolgreich den Eindruck, dass es das noch nicht gewesen sei. Als Umwelt- und Gesundheitsminister benannte er sein Haus informell um, nannte es "Lebensministerium". Ein grüner Baum wurde zum Logo, medienwirksam reiste er nach Italien und befreite Singvögel, die sonst verspeist worden wären. In kleinem Kreise wies Söder darauf hin, dass man als Umweltminister durchaus etwas werden könne - der spätere Ministerpräsident Max Streibl sei auch mal bayerischer Umweltminister gewesen, Ministerpräsident Seehofer einst Bundesgesundheitsminister und Bundeskanzlerin Angela Merkel ursprünglich Bundesumweltministerin. Wem bis dahin nicht klar war, dass Söder nach Höherem strebt, konnte es spätestens jetzt erkennen.

Seehofer machte ihn dennoch 2011 zum Finanzminister, dem wohl einflussreichsten Ministerposten nach dem Ministerpräsidenten. Der unverhoffte Wechsel Söders soll dem Vernehmen nach im Lebensministerium zu großer Freude und Korkenknallen geführt haben. Was aber womöglich weniger über Söders Verhalten als Chef aussagt und viel mehr über ein weiteres Selbstverständnis des Nürnbergers: Ein Minister ist nie einfach nur der oberste Mitarbeiter eines Ministeriums - das ist der beamtete Amtschef, darunter die übrigen Beamten und Mitarbeiter. Der Minister steht darüber, ist der politische Leiter, derjenige, der die Ansagen macht. Wer unter Söder dachte, er habe schon viele Minister kommen und gehen sehen, hat sich im Zweifelsfall geschnitten. In dieser Hinsicht waren sich übrigens Söder und Seehofer ausgesprochen ähnlich.

Auch die neue Position wusste Söder stets für sich zu nutzen - das Finanzministerium, später von Seehofer auch noch um das Thema Heimat und die Aufgabe des Breitbandausbaus erweitert, war für den Franken wie ein Baukasten für die eigene Karriere.

Zwar hatte er mit der EU-konformen Restrukturierung der angeschlagenen BayernLB eine echte Herausforderung zu meistern, aber auch die Möglichkeiten zur Kür ließ Söder nicht ungenutzt verstreichen: Viele der Breitband-Förderentscheide überbrachte Söder höchstpersönlich, selbst kleinste Kommunen fuhr er an, Zehntausende Kilometer legte er so zurück, machte sich als Franke im gesamten Freistaat bekannt und, ja, auch: beliebt. Dass Bayerns Seen und Schlösser unter dem Finanzministerium verwaltet werden, wusste Söder gleichfalls für sich zu nutzen und inszenierte sich gerne: Mal auf staatlichen Ausflugsschiffen anlässlich deren Ausstattung mit Wlan, mal in einer venezianischen Gondel auf dem Kanal von Schloss Nymphenburg.

Seine politischen Karriere-Ambitionen unterstrich er am augenfälligsten beim kabarettistischen Maibockanstich des Münchner Hofbräuhauses. Weil dieses dem Freistaat gehört und somit ebenfalls als Beteiligung in Söders Finanzministerium geführt wird, ließ er es sich nicht nehmen, Jahr für Jahr als Chef eine Begrüßungsrede zu halten - die meist der kabarettistischen Rede des eigentlichen Maibockredners Django Asül kaum nachstand. Dort sagte Söder Dinge, die er in einem anderen Umfeld nie hätte sagen können. Über Seehofers widersprüchliche Aussagen zu dessen Karriere-Ende etwa befand Söder: "Unsere Sorge ist nicht, wann er aufhört. Unsere Sorge ist, ob er überhaupt einmal aufhört." Und auch über seine eigenen Karriere-Ambitionen sprach Söder dort: "Der Ministerpräsident würde gern mal eine Maibockrede selbst halten. Da kam es zu der Anfrage, ob ich nicht einmal mit ihm tauschen will. Tauschen mit dem MP? Jetzt schon"

Rast- und ruhelos tourt Söder seit Jahren, quasi im Dauerwahlkampf, durchs Land, arbeitet härter als andere. Nutzt jede Gelegenheit, spielt in der BR-Serie "Dahoam is Dahoam" auch mal sich selbst. Er hat sich einen Stamm loyaler, stets verfügbarer Mitarbeiter aufgebaut. Die dürfen ihn auch mal kritisieren, wenn niemand sonst dabei ist. Politisch konservativ, als Mensch religiös, privat Star-Wars-Fan, ist Söder nun am Ziel. Einen kleinen Tick später, als es sein eigener Zeitplan vorgesehen hatte: In einem Buch wird behauptet, Söder habe noch vor seinem 50. Geburtstag Ministerpräsident werden wollen. Sei es drum, Söder ist jetzt 51.

Kronprinzen und -prinzessinnen in Söders Altersklasse gab es unter Seehofer schließlich viele. Doch keinem stellte Söder ein Bein. Georg Fahrenschon etwa warf das Amt des Finanzministers hin, um Sparkassen-Präsident zu werden, Karl-Theodor zu Guttenberg stolperte über Plagiate in seiner Doktorarbeit, Christine Haderthauer wurde die Modellauto-Affäre zum Verhängnis. Am Längsten hielt sich Wirtschaftsministerin Ilse Aigner im Rennen. Doch anders als Söder, der nie einen Hehl daraus machte, im Zweifelsfall auch nach der Macht zu greifen, hielt sie immer still und vertraute darauf, Seehofer werde es schon richten. Doch der vermochte das am Ende nicht mehr.