München
Hubert Haderthauers Tabubruch

09.07.2015 | Stand 02.12.2020, 21:05 Uhr

Deutliche Worte fand der Ex-Direktor des Bezirksklinikums Ansbach über seinen früheren Mitarbeiter Hubert Haderthauer - Foto: Jerabek

München (DK) Letzter Zeuge vor der Sommerpause im Modellbau-Untersuchungsausschuss: Die Aussage von Hubert Haderthauers Ex-Chef im Bezirksklinikum Ansbach, Dieter Athen, rückte den heutigen Ingolstädter Landgerichtsarzt gestern in ein fragwürdiges Licht.

Er hatte ihn einst für einen „zuverlässigen Arzt“ gehalten – doch was der Ex-Direktor des Bezirksklinikums Ansbach, Dieter Athen, im vergangenen Jahr schließlich über Hubert Haderthauer erfuhr, verschlug ihm die Sprache. Er habe den Einsatz Haderthauers für die Modellbautherapie immer als soziales Engagement eingeschätzt, sagte der Professor gestern im Untersuchungsausschuss des bayerischen Landtags. „Aber es waren ja ganz offenbar persönliche, finanzielle Interessen.“

Athen hatte den jungen Arzt 1986 in Ansbach eingestellt. Von 1988 bis 1989 arbeitete Haderthauer in der Forensik, wo er den Dreifachmörder Roland S. kennenlernte und auf dessen außergewöhnliches Geschick bei der Konstruktion von Modellautos aufmerksam wurde. Athen schilderte im Ausschuss, dass Haderthauer ihm daraufhin die Einführung einer Modellbautherapie vorgeschlagen habe. Der Klinikchef willigte ein – angeblich ohne zu ahnen, dass der Mediziner auch finanzielle Interessen verfolgte.

Verkauft wurden die Luxus-Modellautos durch die Firma Sapor Modelltechnik, deren Gesellschafter Christine und Hubert Haderthauer nacheinander waren. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen das Paar wegen des Verdachts des Betrugs und der Steuerhinterziehung. Im Zuge der Affäre musste die CSU-Politikerin Christine Haderthauer im Herbst 2014 als Staatskanzleichefin zurücktreten.

Dass sein Stationsarzt Hubert Haderthauer auch „geschäftliche Beziehungen hatte, das war für uns nicht denkbar“, versicherte Athen. Für private Einnahmen neben dem Beruf sei grundsätzlich eine Genehmigung des Bezirks notwendig gewesen. Und Geschäfte mit Patienten zu machen, gelte ohnehin als Tabu. Erst 2014 habe er aus den Medien erfahren, dass Haderthauer „so früh schon auf zwei Seiten stand“, berichtete der 78-Jährige. Hätte er von den geschäftlichen Interessen gewusst, „dann hätte ich den ganzen Modellbau anders bewerten müssen“. Denn im Grunde ist Athen bis heute überzeugt davon, dass die Modellbautherapie für die Patienten eine Erfolgsgeschichte war – allen voran für Roland S. Zuvor sei die einzige Arbeitstherapie in der Ansbacher Forensik das Tütenkleben gewesen. „Und wenn jemand nur Tüten klebt, weckt das nur mehr Frust.“ Insbesondere für den hochintelligenten S. hätte laut Athen diese Unterforderung schwerwiegende Folgen haben können: „Ohne den Modellbau wäre es möglicherweise zum Suizid gekommen.“

Nach Einführung der Modellbautherapie habe sich die Stimmung in der Ansbacher Forensik insgesamt verbessert: „Es kam zu weniger Übergriffen, es gab mehr Zufriedenheit.“ Athen widersprach in diesem Zusammenhang der Darstellung von S., dass er über Jahre überhaupt nicht therapiert worden sei. Der Ex-Klinikchef betonte, es sei ein „großartiger Therapieerfolg“ gewesen, S. „zu einer stabilen Krankheitseinsicht zu bewegen“.

Gerade hier sieht Ausschuss-Vize Florian Herrmann (CSU) den wesentlichen Erkenntnisgewinn dieser letzten Ausschusssitzung vor der Sommerpause: „Ich nehme mit, dass die Modellbautherapie eine ausgesprochen positive Wirkung entfaltet hat auf S. und auf andere“, sagte Herrmann unserer Zeitung. Den Ausschussvorsitzenden Horst Arnold (SPD) beschäftigt mehr Hubert Haderthauers Verhalten. Zwar will er dem Ingolstädter Landgerichtsarzt ein soziales Engagement beim Modellbau nicht ganz absprechen. Doch der soziale Ansatz „schrumpft wie eine Eisscholle, die auf den Äquator zusteuert“.