München
Herde mit Aussicht

Schafskulpturen am Münchner Olympiaberg sollen auf die Lage von Flüchtlingen aufmerksam machen

27.03.2015 | Stand 02.12.2020, 21:29 Uhr

Schafe aus Holz hat der Künstler Walter Kuhn (mit rotem Regencape) zusammen mit Mitstreitern auf dem Olympiaberg in München aufgestellt - Foto: Klaus Klassen

München (DK) Die Herde ist ein Blickfang. Zwischen etlichen weißen Tieren weiden auch ein paar schwarze Schafe, sogar ein rotes ist dabei: Pünktlich zum Start der Karwoche zieht eine Schafherde auf den Münchner Olympiaberg. Sie soll zum Nachdenken anregen, Gesprächsstoff liefern, Diskussionen anstoßen – und nebenbei Geld für Flüchtlinge einbringen.

Mit einer zünftigen Vernissage will der Münchner Künstler Walter Kuhn sein Projekt an diesem Samstag um 17 Uhr der Öffentlichkeit vorstellen.

Der 68-Jährige hat die hölzernen Schafe entworfen, größtenteils selbst in monatelanger mühsamer Arbeit aus Grobspanplatten angefertigt und wetterfest lackiert. Rund 60 Skulpturen werden den grünen Hang mit Aussicht auf Olympiasee und Zeltdachkonstruktion zwei Wochen lang bevölkern, unter dem etwas sperrigen Motto „Urbane Transhumanz“.

„Transhumanz ist ein Begriff aus der Weidewirtschaft, der aus dem Mittelmeerraum stammt, wo bis vor Kurzem noch riesige Herden immer zwischen Sommer- und Winterweiden hin- und hergetrieben wurden“, erläutert Kuhn. Seine Schafe will der pensionierte Geografiedozent als Symbol für die Lage der Millionen Menschen verstanden wissen, die auf der Flucht sind vor Krieg, Terror und Naturkatastrophen. „Auch sie werden immer von einem Ort zum anderen geschickt und wissen nicht, wo sie am Ende bleiben können.“

Daher soll der Olympiapark auch nur die erste von vielen Stationen des Kunstprojekts sein: „Die Schafe sollen immer wieder an neuen Standorten in der Stadt oder im Umland aufgebaut werden.“ Wo immer die Herde haltmacht, soll sie laut Kuhn Passanten dazu anregen, den Ort neu zu entdecken: „Plötzlich stehen da Schafe, das ist eine Neudefinition des gewohnten Umfelds. Das bringt die Leute zum Reden, zum Diskutieren: ‚Ist das Kunst’“

Die Idee einer in der Stadt grasenden Schafherde reicht bis in Kuhns Kindheit zurück, als er in der Schule Verse des Barockdichters Andreas Gryphius lernte. Heute noch rezitiert er die ersten Zeilen des Gedichts „Es ist alles eitel“ auswendig – und mit unverkennbarer Begeisterung: „Du siehst, wohin du siehst, nur Eitelkeit auf Erden./ Was dieser heute baut, reißt jener morgen ein:/ Wo jetzt noch Städte stehn, wird eine Wiese sein,/ Auf der ein Schäferskind wird spielen mit den Herden.“

Zwar hatte Kuhn zunächst den Nymphenburger Schlosspark als ersten „Weideplatz“ ausgesucht, bekam jedoch nicht die Genehmigung der Bayerischen Schlösserverwaltung. Doch gerade der Olympiaberg passt ausgezeichnet zu den Gryphius-Versen und dem Transhumanz-Projekt: Er ist ein Schuttberg, hier wächst Gras auf Kriegstrümmern.

Auch wenn die Botschaft in erster Linie eine politische sein soll, hat der Künstler sich bewusst für die Osterzeit entschieden, um die Herde aus Holz erstmals in München aufzustellen. „Das passt wunderbar zu Ostern - Osterlämmer.“ So spielt Kuhn auch mit einem religiösen Begriff, wenn er für die Vernissage heute Abend eine „Bergpredigt“ ankündigt: Er will das Gryphius-Gedicht rezitieren, Transhumanz erklären und dafür werben, Flüchtlingshilfe zu unterstützen.

Dazu wird bayerische Live-Musik gespielt, Marketenderinnen verteilen Getränke – und es werden Schafe verkauft. Von den mehr als 100 Holztieren, die Kuhns Herde mittlerweile umfasst, soll mehr als ein Drittel für 100 bis 160 Euro den Besitzer wechseln. Der Erlös kommt Flüchtlings- und Integrationsprojekten der interkulturellen Stiftung Kolibri zugute.