München
"Verfassungsprinzipien auf den Kopf gestellt"

Rechtsgutachten belastet Christine Haderthauer Untersuchungsausschuss beendet Zeugenbefragungen

14.07.2016 | Stand 02.12.2020, 19:33 Uhr

Der Jurist Gerhard Strate wirft Christine Haderthauer Rechtsbruch vor. - Foto: Wenisch

München (DK) In der Modellbauaffäre haben die Freien Wähler (FW) die Vorwürfe der Bedrohung von Abgeordneten gegen Ex-Staatskanzleichefin Christine Haderthauer (CSU) mit einem Rechtsgutachten untermauert. Der Hamburger Verfassungsrechtler Gerhard Strate, der das Papier für die FW erstellt hat, sagte gestern in München, durch Haderthauers Verhalten seien "die grundlegenden Strukturprinzipien der bayerischen Verfassung auf den Kopf" gestellt worden.

Hintergrund ist ein Zeitungsartikel aus dem Juni 2014 über einen Dringlichkeitsantrag der FW. Die "Fränkische Landeszeitung" schrieb damals, die FW forderten Auskunft über die Zahl der für die Firma Sapor produzierten Modellautos. Beinahe wortgleich zum FW-Antrag heißt es in dem Artikel weiter: "Christine Haderthauer habe bisher angegeben, dass lediglich 60 Modellautos hergestellt und versteuert wurden. Unterlagen belegen jedoch, dass es 132 Stück gewesen seien." Der in dem Artikel zitierte Initiator des Antrags, der FW-Abgeordnete Peter Bauer, und die Fraktionsspitze erhielten daraufhin ein Fax aus der Staatskanzlei mit dem Briefkopf der Staatsregierung. Darin forderte Haderthauer laut Gutachten unter anderem, dass die Abgeordneten Behauptungen unterlassen sollten, dass es "Aussagen von mir zu der Anzahl von Modellen gibt, die insgesamt in der Modellbautherapie hergestellt wurden".

Gutachter Strate sieht in dem Schreiben der damaligen Ministerin eine "amtliche Erklärung". Haderthauer habe ihr Amt und öffentliche Finanzmittel genutzt, um eine Unterlassungsaufforderung abzugeben, deren Gegenstand "gänzlich außerhalb ihrer amtlichen Kompetenzen" lag, heißt es im Gutachten. "Das war staatsrechtlich, verfassungsrechtlich ein grober Eingriff in die Rechte der Abgeordneten", sagte er.

Der parlamentarische Geschäftsführer der Freien Wähler, Florian Streibl, sagte, er habe das Gefühl gehabt, "die Staatskanzlei mit ihrer Staatsgewalt tritt dir als Abgeordneter gegenüber und versucht, Einfluss auf dein Verhalten zu nehmen". Es sei ein eklatanter Eingriff in die Gewaltenteilung, wenn die Regierung versuche, den Landtag zu kontrollieren statt umgekehrt. Wenn Haderthauer sich ungerecht behandelt fühlte, hätte sie privat gegen die Äußerungen vorgehen müssen.

Bauer, der Mitglied im Untersuchungsausschuss Modellbau ist, sagte, die Regierung habe im Ausschuss Gelegenheit zur Aufklärung gehabt. Da sich aber weder Haderthauer noch Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) zur Beeinflussung von Abgeordneten geäußert hätten, hätten die Freien Wähler das Gutachten in Auftrag gegeben. Nach Abschluss des U-Ausschusses werde er über eine Anrufung des Verfassungsgerichtshofes entscheiden.

Der Ausschussvorsitzende Horst Arnold (SPD) kritisierte den Zeitpunkt des Gutachtens. Diese Fragen hätten bereits 2014 in die politische Diskussion eingebracht werden müssen, sagte er unserer Zeitung. Die Bewertung des Sachverhalts obliege aber dem Ausschuss.

Dieser hörte gestern die vorerst letzten Zeugen. Bei der Vernehmung von zwei Mitarbeitern des Bezirkskrankenhauses Straubing ging es vor allem um verschwundene Aufzeichnungen des Dreifachmörders, der die Modelle hergestellt hat. Bis zum Jahresende sollen nun Asservate und Akten im Ausschuss bearbeitet werden. Wenn sich daraus neue Erkenntnisse ergäben, könne die Zeugenliste wieder geöffnet werden, sagte Arnold.