Gegensätze wie Tag und Nacht

Die Bewertung der Modellbauaffäre könnte bei CSU und Opposition kaum unterschiedlicher ausfallen

15.02.2017 | Stand 02.12.2020, 18:38 Uhr

München (DK) SPD und Grüne sehen sich durch den Untersuchungsausschuss Modellbau in ihren Vorwürfen gegen Ex-Ministerin Christine Haderthauer (CSU) bestätigt. Das geht aus einem Entwurf des rot-grünen Abschlussberichts hervor, der unserer Zeitung vorliegt. Die CSU zieht ganz andere Schlüsse.

SPD und Grüne werfen der Ingolstädter Abgeordneten Christine Haderthauer in dem Entwurf schwere Verfehlungen in der Modellbauaffäre vor. Unter anderem sehen sie einen Verstoß gegen das Ministergesetz. Haderthauer sei auch nach ihrem Amtsantritt als Sozialministerin 2008 noch geschäftsführungsbefugte Gesellschafterin der Firma Sapor Modelltechnik gewesen. „Von dieser Befugnis machte sie – wenn auch im geringen Umfang – Gebrauch“, heißt es in dem Berichtsentwurf.

Damit habe Haderthauer gegen das Ministergesetz verstoßen, das Kabinettsmitgliedern verbietet, „ein anderes besoldetes Amt, einen Beruf oder ein Gewerbe“ auszuüben. Hader?thauer sei in ihrer Amtszeit Inhaberin der Sapor-Webdomain gewesen und habe später offenbar auch eine Gewerbeabmeldung vorgenommen. Eventuell sei sie sogar bis heute nicht juristisch wirksam aus der Gesellschaft ausgeschieden.

Die CSU kommt dagegen zu dem Ergebnis, dass Haderthauers Ausstieg aus der Firma zwar juristisch schlampig abgewickelt wurde. Sie wollte aber seit ihrem Einzug in den Landtag 2003 aus der Firma ausscheiden, heißt es im CSU-Berichtsentwurf, der unserer Zeitung in Auszügen vorliegt. Geschäftsführend tätig geworden sei sie nicht mehr. Zudem sei schon zuvor ihr Ehemann der eigentliche Geschäftsführer gewesen und auch die Gewerbeabmeldung 2008 trage dessen Unterschrift. Die frühere Ministerin wollte sich nicht äußern, verwies aber auf ihre schriftliche Stellungnahme an den Ausschuss. Darin heißt es, sie habe zu „keinem Zeitpunkt selber die Geschäftsführung ausgeübt“.

Der Untersuchungsausschuss befasst sich seit mehr als zwei Jahren mit den Sapor-Geschäften. Über die Firma vertrieben die Haderthauers Modellautos, die in einer forensischen Therapie hergestellt wurden. Haderthauer trat 2014 wegen der Affäre als Staatskanzleichefin zurück und akzeptierte später einen Strafbefehl.

In dem 169 Seiten umfassenden Berichtsentwurf erheben SPD und Grüne weitere Vorwürfe gegen Haderthauer. Sie habe nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft auf eine Zeugin eingewirkt, um fingierte Betriebsausgaben der Firma Sapor zu verschleiern. Zudem geht es um die Vermischung privater und dienstlicher Angelegenheiten und den Versuch, Journalisten einzuschüchtern. Hintergrund sind mehrere E-Mails, die von einem Mitarbeiter der Pressestelle der Staatskanzlei an Journalisten verschickt wurden, die in der Sache recherchierten. Im Anhang befand sich eine Zivilklage von Hubert Haderthauers Anwalt gegen mehrere Medien.

Die Staatskanzlei habe damit „zumindest eine die Adressaten beeindruckende Wirkung“ in Kauf genommen, schreiben SPD und Grüne. „Die Betroffene Haderthauer instrumentalisierte die ihr als Staatskanzleiministerin zur Verfügung stehenden Organisationsstrukturen, um auch dem im Rahmen der öffentlichen Berichterstattung in den Fokus geratenen Ehemann und Zeugen Dr. Haderthauer Vorteile zu verschaffen.“ Die CSU erkennt in dem Vorgang keine unzulässige Vermischung von Dienstlichem und Privatem und beruft sich auf ein Urteil des Verfassungsgerichtshofs, wonach sich die Grenzen von privaten und dienstlichen Angelegenheiten nicht exakt im Voraus bestimmen ließen. Einzelne E-Mails seien zwar missverständlich formuliert gewesen. Aber der Versand der Klageschrift „diente dazu, den Journalisten eine zusammenhängende Sachverhaltsdarstellung aus der Sicht der Betroffenen zukommen zu lassen“. Haderthauer hatte in ihrer Stellungnahme auf eine Vermischung von Privatem und Dienstlichem in den Presseanfragen hingewiesen. „Wenn das Fragerecht alles umschließt, muss die Antwort dies konsequenterweise auch.“

Einen umstrittenen Anruf aus der Staatskanzlei beim Bayerischen Rundfunk werten die Oppositionsparteien als „versuchten Eingriff in die freie Berichterstattung“. Die Pressestelle wollte den Begriff „horrende Gewinne“ aus einem Radiobeitrag über Sapor entfernen. Nach Ansicht der CSU habe der Pressesprecher aber lediglich auf eine anderslautende Meldung hingewiesen, die sich ebenfalls mit den Gewinnen beim Modellverkauf befasste. Aus Sicht Haderthauers war der Begriff „horrende Gewinne“ eine falsche Tatsache. Den Sender darauf aufmerksam zu machen, sei ihr Recht.

Im Zusammenhang mit dem Anruf hat Haderthauer nach Ansicht von Rot-Grün auch Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) falsch informiert. In einer Stellungnahme an den Regierungschef habe sie angegeben, nicht mehr zu wissen, ob sie den Auftrag für den Anruf gegeben habe. Dies sei aufgrund des zeitlichen Ablaufs „vorbehaltlich einer Amnesie die Unwahrheit“. Dem CSU-Chef werfen SPD und Grüne vor, die Vorwürfe nicht verfolgt zu haben. Haderthauer habe von Seehofer „einen nahezu unerschöpflichen Vertrauensvorschuss“ erhalten. Seine eigene Fraktion attestiert Seehofer dagegen, korrekt gehandelt zu haben.

Das Fazit von Regierungs- und Oppositionsparteien könnte dementsprechend kaum widersprüchlicher ausfallen. SPD und Grüne stellen Hader?thauer im Umgang mit der Affäre ein vernichtendes Zeugnis aus: „Der Untersuchungsausschuss stellt fest, dass die Betroffene dem Parlament Antworten verweigerte und gleichzeitig auf Staatskosten die Medienberichterstattungen angreifen wollte.“ Die CSU stellt wiederum fest, dass sich die wesentlichen Vorwürfe „nicht bestätigt haben“.

Am kommenden Donnerstag sollen die Berichte in den U-Ausschuss eingebracht werden. Die Freien Wähler haben sich am Oppositionsbericht nicht beteiligt, da ihnen die Aufklärungsarbeit des Gremiums nicht weit genug ging.