München
Forensik-Experte hält das Gebaren der Haderthauers nicht für anstößig

04.08.2014 | Stand 02.12.2020, 22:23 Uhr

München (DK) Eine Therapie als Geschäftsmodell? Christine und Hubert Haderthauer wird vorgeworfen, mit ihrer Firma „Sapor Modelltechnik“ Gewinne auf Kosten von Psychiatriepatienten gemacht zu haben. Fachleute sehen es differenzierter.

Norbert Nedopil ist ein erfahrener Fachmann der forensischen Psychiatrie. Man kann wohl sagen: Er ist einer der renommiertesten Psychiatrieärzte in Bayern. Kürzlich begutachtete er Gustl Mollath beim Wiederaufnahmeprozess in Regensburg – nach jahrelangem Streit um dessen Geisteszustand. Eine heikle Angelegenheit, die man nur jemandem überträgt, dem man ein besonnenes Urteil zutraut. Der Arzt leitet heute die Forensik an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität.

Im Jahr 1990 war Nedopil zu Besuch im Bezirkskrankenhaus Ansbach – damals noch als Chef der Forensik an der Würzburger Universität. Nedopil berichtet jetzt unserer Zeitung, er sei damals Teil einer vom Sozialministerium beauftragten Kommission gewesen. Die Experten sollten die bayerische Forensik bewerten. In Ansbach sei ihnen auch die Modellbautherapie vorgeführt worden, erzählt der Arzt. Psychisch kranke Schwerverbrecher arbeiteten unter Federführung des Dreifachmörders S. an exklusiven Modellautos. Die Fachleute waren begeistert.

Wenn er heute darüber spricht, lässt er keinen Zweifel aufkommen: „Das war ein Positivbeispiel“, sagt Nedopil, ein „therapeutisch sinnvolles, wichtiges und weiterführendes Projekt“. An seiner Einschätzung habe sich da bis heute nichts geändert, sagt Nedopil. Die Patienten müssten Sinn in ihrer Arbeit sehen, etwas lernen, selbstbewusster werden. Das sei bei der Modellbautherapie der Fall gewesen. „Alle im Maßregelvollzug waren stolz darauf.“

Heute ist die Therapie, die der Ingolstädter Landgerichtsarzt Hubert Haderthauer mit eingerichtet hat, umstritten. Vor allem, weil Haderthauer und seine Frau, die heutige Staatskanzleichefin Christine Haderthauer (CSU), die Autos über die Firma „Sapor Modelltechnik“ privat vermarkteten. Die Opposition hält das für unmoralisch. Dass die Haderthauers „mit einem Dreifachmörder ein äußerst lukratives Geschäftsmodell“ entwickelt hätten, nennt der ehemalige Stoiber-Berater Michael Spreng einen „Skandal“. Den Geschäften unterstellt er „Amoralität“.

Nedopil sieht die Sache differenzierter. Dass sich Produkte einer Therapie verkaufen ließen, sei ja gerade erwünscht. Problematisch findet er es allenfalls, wenn ein Arzt von seinem eigenen Patienten finanziell profitiert. „Wenn kein Interessenkonflikt zu der Tätigkeit als Arzt besteht, sehe ich kein Problem“, sagt Nedopil.

Hubert Haderthauer war bis Ende 1989 Arzt in der Ansbacher Forensik. Da lief die Therapie gerade ein paar Monate. Danach war er in einer anderen Abteilung tätig, 1991 wechselte er nach Ingolstadt. Bis zum Verkauf der Firma 2008 bestand offenbar über die meiste Zeit hinweg kein Interessenkonflikt.

Dass private Unternehmen Arbeiten in sozialen oder medizinischen Einrichtungen für geringe Bezahlung erledigen lassen, ist weit verbreitet. Produziert in Behindertenwerkstätten, Gefängnissen – oder eben in der Forensik. Auch große Unternehmen lassen dort herstellen. Zum Beispiel im Bezirkskrankenhaus im niederbayerischen Mainkofen. Unter anderem BMW und der Heizkörperhersteller Kermi arbeiteten mit der Klinik zusammen, sagt Reinhold Kleeberg, Oberarzt in der dortigen Forensik. Soziale Tat oder Geschäftsmodell? „Die verdienen sicherlich daran, sonst würden sie die Arbeit in ein Billiglohnland vergeben“, sagt Kleeberg.

Über die angebliche Lukrativität der Geschäfte von „Sapor Modelltechnik“ wird gestritten. Für die Produktion der Modelle mussten offenbar zunächst teure Spezialwerkzeuge angeschafft werden. Zudem ist die Arbeit in der Forensik nicht mit den Abläufen in der Industrieproduktion vergleichbar. Die Patienten arbeiten nur, wann und wieviel sie wollen. Bis zu ihrem Ausscheiden 2003 habe die Firma gar keine Gewinne gemacht, sagt Christine Haderthauer. Später warf sie dann laut Staatsregierung durchschnittlich 7800 Euro Gewinn pro Jahr ab. Ein „äußerst lukratives Geschäftsmodell“?

Unserer Zeitung sagte Hubert Haderthauer: „Es ging mir nie um Gewinnmaximierung.“ Wäre das der Fall gewesen, „hätte ich nach wenigen Jahren aufhören müssen“, sagt er. „Es kam mir nur darauf an, am Ende keine Verluste zu machen.“ Ob seine Angaben stimmen, dazu ermittelt derzeit die Staatsanwaltschaft München II. Der Verdacht, dass sie falsch sein könnten, gründet sich unter anderem auf Angaben aus dem Bezirkskrankenhaus Straubing: Der psychisch kranke Dreifachmörder S. hatte sie über seine eigene Produktion gemacht.

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