München
Fest steht nur: Er will weiterregieren

Wichtige Fragen und Antworten zur Personaldebatte um CSU-Chef Horst Seehofer

10.10.2017 | Stand 02.12.2020, 17:22 Uhr

München (DK) Nach dem historisch schlechten Abschneiden der CSU bei der Bundestagswahl vor zweieinhalb Wochen mit dem schlechtesten Ergebnis seit 1949 begehrt die CSU-Basis gegen Horst Seehofer auf. Und nicht nur die: Quer durch den Freistaat und die Partei-Hierarchie macht sich eine Stimmung breit, die ihn zusehends infrage stellt.

Was will Horst Seehofer?

Bisher ist nichts anderes bekannt, außer: weiterregieren - in Partei und Freistaat. Beim CSU-Parteitag will er sich der Wiederwahl stellen. Und bisher ist Seehofer offiziell auch noch nicht von seinem Vorhaben abgerückt, bei der Landtagswahl im Herbst 2018 als CSU-Spitzenkandidat (und damit designierter Ministerpräsident) zu kandidieren. Die Direktkandidaturen in den Stimmkreisen werden zum Teil jetzt schon vergeben, die Listenaufstellung muss bis Frühsommer 2018 entschieden sein.

 

Welche Strategie hat Seehofer?

Er spielt auf Zeit: Die Personaldebatte, so forderte er, dürfe nicht jetzt geführt werden, um die Verhandlungen in Berlin nicht zu gefährden, sondern erst auf dem Parteitag. Der Parteitag, bisher für 17. und 18. November in Nürnberg anberaumt, könnte nun Gerüchten zufolge nach hinten verschoben werden - aus finanziellen Gründen, wie es offiziell heißt, weil man die Mitglieder eh über den Koalitionsvertrag abstimmen lassen könnte. Zudem zieht Seehofer (rhetorische) Fluchttürchen ein: "Ich biete immer an, dass jemand anderes die Verhandlungen in Berlin übernehmen kann - aber es meldet sich keiner", sagt er. Und: Seehofer will sich landesweit einem Basisdialog stellen. Dabei gehe es nicht um eine Werbetour für seine Wiederwahl, betont Seehofer. Faktisch wäre es freilich nichts anderes.

 

Reicht, was Seehofer bisher erreicht hat?

Das, was Seehofer und der Führungskreis um ihn nun den eigenen Mitgliedern und Wählern als Erfolg bei der Obergrenze verkaufen will, ist eine Vereinbarung, in der das Wort "Obergrenze" gar nicht vorkommt (was als reine Semantik durchaus verschmerzbar wäre), in dem aber vor allem die Zahl von 200.000 lediglich ein mehr oder weniger unverbindlicher Richtwert ist. "Besser als nichts", sagt einer, "Wischiwaschi", ein anderer. Fakt ist: Das, was Seehofer am Sonntag in Berlin erreicht hat, verschafft ihm Zeit. Aber der Unmut der Basis sitzt sehr tief.

 

Was wirft die Basis Seehofer vor?

Es zeigt sich immer mehr: Seehofer hat mit seiner Hü-und-hott-Politik (vom Donau-Ausbau bis zur dritten Startbahn, von der Europawahl bis zum Umgang mit Angela Merkel in der Flüchtlingspolitik) die Nerven des Parteivolks überreizt. Nicht zuletzt auch bezüglich seiner eigenen Zukunft: Erst wollte er 2018 in den politischen Ruhestand gehen, dann über 2018 hinaus weitermachen. Einmal hat er gefordert, CSU-Vorsitz und Ministerpräsidenten-Amt müssten in einer Hand bleiben, dann, dass sie getrennt und der CSU-Vorsitzende in Berlin sein müssten. So lockte Seehofer potenzielle Nachfolger in eine Zwickmühle: Wenn man sich positionierte, wurde man von ihm runtergemacht (siehe Markus Söder), wenn man sich nicht positionierte, betonte Seehofer süffisant, er hätte Ämter ja zur Verfügung gestellt, es habe aber keiner gewollt. Diese Strategie durchschauen immer mehr. Folglich steigt das Ansinnen, Seehofer diese Entscheidung aus der Hand zu nehmen.

 

Was droht Seehofer auf dem CSU-Parteitag?

Unter den rund 1000 Parteitagsdelegierten sind die Vertreter der Basis (viele Orts- und Kreisvorsitzende, Mandatsträger aus den Kommunalparlamenten) klar in der Überzahl. Obwohl nach Bezirksverbänden gegliedert und vor Parteitagen von den Bezirksvorsitzenden oft zu einem ganz bestimmten Abstimmverhalten ermuntert, ließe sich eine Eigendynamik kaum mehr einfangen. "Wenn auf dem Parteitag der Damm bricht, dann geht diese Parteiführung unter - und zwar gnadenlos", urteilt einer, der als Basismitglied auf Parteitagen für eine sehr offene Aussprache bekannt ist. Und nicht zuletzt ist da das Signal des Wahlergebnisses: 2008 (nach der verlorenen Landtagswahl und dem Abgang von Parteichef Erwin Huber und Ministerpräsident Günther Beckstein) hatte Seehofer 90,3 Prozent der (gültigen) Stimmen erhalten, 2009 waren es 88,1 Prozent, 2013 (nach der Rückeroberung der absoluten Mehrheit im Landtag) dann 95,3 Prozent. 2015 hingegen wurde Seehofer mit nur mehr 87,2 Prozent wiedergewählt.

 

Aus welcher Richtung droht Seehofer weitere Gefahr?

Selbst wenn Seehofer bei den Berliner Koalitionsverhandlungen erfolgreich ist und auf dem Parteitag wiedergewählt würde, bleibt die CSU-Landtagsfraktion eine entscheidende Hürde. Die Landtagsabgeordneten müssen sich im Herbst 2018 der (Wieder-)Wahl stellen - und reagieren daher nicht unbedingt selbstlos. Die entscheidende Frage, die sie sich stellen, lautet: Mit wem sind meine persönlichen Wahlchancen am höchsten, mit Seehofer oder einem anderen, etwa Markus Söder? Spätestens bei der traditionellen Winterklausur der CSU-Landtagsfraktion im Januar in Kloster Banz könnte Seehofer ein Putsch drohen - nämlich dann, wenn die CSU in Umfragen bedenklich niedrig läge (Richtung 40 Prozent) und die persönlichen Umfragewerte eines Konkurrenten (zum Beispiel Söder) besser wären als die seinen. ‹ŒFoto: Kneffel/dpa