München
Experten zerpflücken Söders Pläne

Geplante Änderungen des Landesentwicklungsprogramms stoßen bei Anhörung auf große Ablehnung

27.04.2017 | Stand 02.12.2020, 18:14 Uhr

Mit einem Mahnmal gegen den Flächenfraß demonstrierte der Bund Naturschutz (BN) - darunter auch BN-Chef Hubert Weiger (Mitte) - vor einem Jahr am Gewerbepark "Acht 300" bei Dasing gegen den aus seiner Sicht maßlosen Landverbrauch. Die Umweltschützer fürchten, dass dieser mit der geplanten Änderung des Landesentwicklungsprogramms noch zunimmt. - Foto: Edler

München (DK) Mehr zentrale Orte in Bayern, leichtere Ausweisung von Gewerbegebieten, Änderung des Alpenplans: Das sind die wichtigsten Punkte der geplanten Änderung des Landesentwicklungsprogramms. Experten halten die Vorschläge der Staatsregierung allerdings in weiten Teilen für unbrauchbar.

Markus Söder (CSU) war gar nicht da und doch lässt sich festhalten: Es war gestern kein besonders guter Tag für den Heimatminister. Denn bei der Anhörung zur von ihm verantworteten Fortschreibung des Landesentwicklungsprogramms (LEP) - dem zentralen Instrument der bayerischen Landesplanung - sind im Wirtschaftsausschuss des Landtags zentrale Punkte sang- und klanglos durchgefallen.

Vor allem an der Neuausrichtung der Strukturförderung im Freistaat ließen die Experten fast durchgehend kein gutes Haar. Geplant ist in Söders Entwurf die Ausweisung von 59 neuen zentralen Orten, in denen Behörden oder Infrastruktur angesiedelt werden können. Zudem sollen zahlreiche Kommunen zu Räumen mit besonderem Handlungsbedarf ernannt werden, was den Zugriff auf Fördermittel ermöglicht. Naturschützer, IHK, Architekten, Landschaftsplaner und kommunale Spitzenverbände kritisierten einhellig eine Inflation der zentralen Orte und eine Verteilung von Geldern mit der Gießkanne. Mit der Verteilung von Titeln alleine sei es nicht getan, dies führe letztlich nur zu mehr Konkurrenz zwischen den Gemeinden, so die Kritik. Ob so das Ziel der Stärkung des ländlichen Raums erreicht werde, zogen mehrere Experten in Zweifel.

Der Bayreuther Stadtentwicklungsprofessor Manfred Miosga kritisierte zudem, dass München, Nürnberg und Augsburg mit dem neuen Label der Metropole ausgestattet werden sollen. Welche Auswirkungen dies habe, "die Frage kann man kurz beantworten: Keine." Der Begriff sei mit keinerlei Maßnahmen hinterlegt. Der Bayerische Städtetag monierte, dass künftig beinahe jede zweite bayerische Gemeinde ein zentraler Ort sein solle, ohne dass festgelegt wird, welche Infrastrukturmaßnahmen damit verbunden sind. "Was mir hier fehlt, ist die Aufstellung einer Mindesteinrichtung", sagte Städtetagsvertreter Florian Gleich.

Während der Grünen-Abgeordnete Martin Stümpfig die Expertenmeinungen als "klatschende Ohrfeige" für Söder interpretierte, griff die CSU die Experten an. Das LEP setze lediglich die Ziele, die Finanzierung werde erst später in den Haushalten festgelegt, erklärte der Vorsitzende des Ausschusses, Erwin Huber. Die Ingolstädter Abgeordnete Christine Haderthauer sagte, das Misstrauen, dass die Finanzierung nicht eingehalten werde, sei nicht nachvollziehbar.

Auch bei der geplanten Lockerung des sogenannten Anbindegebots, das bisher den Anschluss neuer Gewerbegebiete an bestehende Bebauung festschreibt, musste sich das Heimatministerium harsche Kritik gefallen lassen. Wenn die Staatsregierung den Kommunen bei der Ausweisung von Gewerbegebieten noch mehr Freiheiten einräumen wolle, "dann können wir mit der Landesplanung aufhören", sagte der Präsident der Bayerischen Akademie für ländlichen Raum, Holger Magel. BN-Chef Hubert Weiger sprach von einer der "verhängnisvollsten Maßnahmen" für das Gesicht der bayerischen Landschaft. Handwerkstagspräsident Franz Xaver Peteranderl sagte, dass die Planungen, die unter anderem Gewerbeansiedlungen an vierspurigen Straßen ermöglichen sollen, letztlich nur Gemeinden an Autobahnen helfen würden.

Allerdings gab es hier auch einige Befürworter. "Wir wollen keine Zersiedlung", den Gemeinden müssten aber mehr Freiheiten eingeräumt werden, sagte die Direktorin des Gemeindetags, Cornelia Hesse. Die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft erklärte, Gewerbeansiedlungen auf der grünen Wiese würden durch die Lockerung kein Massenphänomen.

Die geplante Änderung des bayerischen Alpenplans, durch die der Bau einer Skischaukel am Riedberger Horn ermöglicht werden soll, fiel bei den meisten Experten ebenfalls durch. "Die Lebensdauer der beiden Skigebiete wird durch die neuen Seilbahnen um keinen Tag verlängert", schimpfte der Präsident des Deutschen Alpenvereins, Josef Klenner. Der Würzburger Geologieprofessor Hubert Job bezeichnete die Argumente für die Skischaukel als "an den Haaren herbeigezogen". Der Tourismusverband Allgäu räumte ein, dass die Skischaukel nicht entscheidend für den Tourismus im Allgäu sei. Den betroffenen Gemeinden biete sie aber wichtige Entwicklungschancen.

In den kommenden Monaten beschäftigen sich die Landtagsausschüsse mit der LEP-Fortschreibung. Zum Jahreswechsel soll sie in Kraft treten.