München
"Evet" oder "Hayir"?

In Bayern können Türken seit gestern über Erdogans umstrittene Verfassungsreform abstimmen

27.03.2017 | Stand 02.12.2020, 18:25 Uhr

Foto: DK

München/Fürth (DK) Der türkische Präsident Erdogan will seine Machtbefugnisse massiv ausweiten und dafür die Verfassung ändern. In der Türkei wird darüber am 16. April abgestimmt. Auslandstürken können schon jetzt ihre Stimme abgeben - in Bayern ist das in München und Fürth möglich.

Rund 65 000 Wahlberechtigte aus Nordbayern, Thüringen und der Oberpfalz dürfen in den nächsten zwei Wochen in der "Grünen Halle" in Fürth ihre Stimme abgegeben. Es geht um die Entscheidung, ob man "Evet" (Ja) oder "Hayir" (Nein) zu Erdogans Plänen sagt. Zum Auftakt bleibt es in Fürth eher ruhig. "Heute geht es noch. Aber am Wochenende herrscht hier Chaos", meint einer der drei jungen Männer, die in ihren neongelben Warnwesten als Parkanweiser fungieren. Beim Thema Referendum sind sich die drei, die freitags gemeinsam in die benachbarte Moschee zum Beten gehen, nicht einig. "Er sagt ja, ist sage nein und der da vielleicht", erklärt der junge Mann.

Die einzige Zufahrt zum Wahllokal, einer ehemaligen Sporthalle im Fürther Südstadtpark, haben die Männer mit einer Bake abgesperrt. Bei einer dunklen Limousine mit getönten Scheiben machen sie eine Ausnahme. "Das ist das Auto des Generalkonsuls", sagen die jungen Parkanweiser.

Drinnen in der "Grünen Halle" steckt Generalkonsul Yavuz Kül dann mit einigen Wahlbeobachtern, die den korrekten Ablauf des Urnengangs garantieren sollen, die Köpfe zusammen. Als Wahlbeobachter haben türkische Parteien einige Mitglieder aus der Region nach Fürth geschickt. "Ich bin von der bösen Partei", sagt Semra Aydin und meint damit die Erdogan-Partei AKP. "Ich bin von den Grauen Wölfen", sagt Emin Köse und erzählt, dass auch er mit "Ja" abstimmen wird. Ali Yurt von der sozialdemokratischen CHP gehört dagegen zum "Hayir"-Lager. "Ich bin seit 43 Jahren hier. Meine drei Kinder sind hier geboren und haben hier studiert. Jetzt will Erdogan den starken Mann spielen. Damit gefährdet er die Sicherheit der in Deutschland lebenden Türken", ärgert sich Yurt. Noch kräftiger dem "Nein-Lager" die Daumen drücken dürfte Riza Kocadag, der Vertreter der Kurden-Partei HDP. Erdogan wolle langfristig eine Diktatur in der Türkei aufbauen. Viele kurdische Abgeordnete säßen dort bereits im Gefängnis. Kocadag hofft, dass auch viele Erdogan-Anhänger einen absoluten Alleinherrscher in Ankara verhindern wollen und deshalb mit "Hayir" abstimmen werden.

Etwas größer als in Fürth ist am Morgen das Interesse in München. Dort dient den rund 115 000 wahlberechtigten Türken in Südbayern ein ehemaliges Postamt als Wahllokal. Bevor Konsulatsmitarbeiter die Türe öffnen, warten davor bereits 50 Landsleute darauf, ihre Stimme abzugeben. Die Meinung über das Abstimmungsverhalten der in Deutschland lebenden Türken ist zwiespältig. "Ich habe viele Bekannte in Deutschland, die für eine Verfassungsänderung sind", berichtet eine 19-jährige Studentin aus München. Dagegen hält ein 63-jähriger Mann, der seit 40 Jahren in München lebt, wenig von Erdogan und seinen Plänen: "Der ist verrückt, der Mann", sagt er. Sein Begleiter betritt das Wahllokal demonstrativ mit einer Krawatte mit dem Konterfei von Kemal Atatürk - dem Begründer und Modernisierer der Republik Türkei.