München
Flughafenstreit entzweit die CSU

Horst Seehofer und sein Vorgänger Erwin Huber kämpfen mit offenem Visier um die dritte Startbahn

02.05.2016 | Stand 02.12.2020, 19:52 Uhr

München (DK) Das Dauerthema dritte Startbahn am Flughafen München ist in der CSU eskaliert. Angebliche Rücktrittsdrohungen und Verwirrung um mehrere Klagen inklusive.

Es beginnt alles ganz lustig vor der gestrigen CSU-Vorstandssitzung. Witze wie "Von welcher Klage sprechen wir gerade? Man verliert ja langsam den Überblick" machen unter den eintreffenden Politikern die Runde. Generalsekretär Andreas Scheuer scherzt, die Justiz brauche ja etwas zu tun. Schließlich war zur Dauer-Klageandrohung Bayerns gegen die Berliner Flüchtlingspolitik am Wochenende noch eine weitere hinzugekommen. Ex-Parteichef Erwin Huber hatte gedroht, gegen einen möglichen neuen Bürgerentscheid in München zur dritten Startbahn vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof zu Felde ziehen zu wollen.

Viel Heiterkeit und Gelächter also im Eingangsbereich der CSU-Zentrale. Doch dann kommt Horst Seehofer. Und der Ministerpräsident findet die Ankündigung Hubers ganz und gar nicht witzig. "Das zeigt einmal mehr, dass zwischen dem Politikverständnis von Erwin Huber und mir Welten liegen", schimpft der Parteichef. Dieser Stil sei für die Wahlschlappe 2008 verantwortlich und die Äußerungen Hubers "werden Schaden auslösen", ist sich der CSU-Vorsitzende sicher.

Keine juristischen Tricks, stattdessen eine politische Lösung mit Bürgerbeteiligung kündigt Seehofer daher an. Wie diese aussehen soll, weiß er allerdings selbst noch nicht. Ohne die Münchner geht es wohl nicht, denn die Stadt, die 23 Prozent der Flughafenanteile hält, fühlt sich trotz juristischer Verjährung noch immer an das Nein der Bürger von 2012 gebunden. In der Landeshauptstadt muss die Bevölkerung also auf jeden Fall noch einmal abstimmen. Oder doch gleich ganz Bayern fragen? Das müsse genau überlegt werden, sagt Seehofer, der intern sogar mit Rücktritt gedroht haben soll, falls sich seine Position nicht durchsetze. Unsinn, dementiert er später: "Rücktritte droht man nicht an. Rücktritte führt man durch."

Dem Landesvorsitzenden der Jungen Union, Hans Reichhardt, gehen Seehofers Pläne aber zu schnell. Bevor über einen Bürgerentscheid gesprochen werde, müsse sich die CSU erst klar positionieren, fordert er. Das findet auch Seehofer, der zwar schon mehrfach betont hat, dass er sich eine Meinung gebildet, diese aber bisher für sich behalten hat. Doch nun verkündet er vielsagend, man müsse auch die Entwicklung Bayerns im Blick haben und dies den Menschen argumentativ klar machen. Derzeit gebe es bei einer Kapazitätsgrenze von 480 000 etwa 380 000 Starts und Landungen pro Jahr, was einen Startbahnbau nicht begründe. Es gehe aber auch um die Zukunft des Freistaats. "Ideal wäre dann, wenn man abstimmt." Bei Zustimmung der Bevölkerung sollte die Startbahn spätestens Ende des Jahres in Betrieb gehen.

Das sieht Erwin Huber ganz anders, wie er klarstellt. Für einen Münchner Bürgerentscheid gebe es keine Gesetzesbasis, weil die Startbahn keine Angelegenheit der kommunalen Selbstverwaltung sei. Bund und Land hielten 77 Prozent am Flughafen - es könne also auch ohne München losgehen. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt stellt aber sogleich klar, dass er die Position Seehofers unterstütze und die Bevölkerung einbeziehen wolle.

Seehofer und Huber sind sich aber nicht nur in der Beurteilung der Bürgerbeteiligung uneinig. So betont Huber, dass die Wähler mit der absoluten CSU-Mehrheit für die Startbahn gestimmt hätten. Seehofer betont dagegen: "Im Jahr 2013 war die dritte Startbahn nicht Gegenstand des Wahlkampfes." Und auch über die gegenseitige Gesprächsbereitschaft gib es Zwist. Beide werfen sich gegenseitig vor, den Dialog zwischen Staatskanzlei und Fraktion zu verhindern. Für Unterhaltung sorgt der Streit bei der Opposition. Diese spottet über "Realsatire", eine "Bewerbung für die ,Heute-Show´" (Grüne) und einen "Eiertanz" (Freie Wähler).

Verwirrung gibt es in der CSU aber nicht nur in Bezug auf die Huber-Klage. Auch die seit Langem schwelende Klage gegen die Bundesregierung ist Thema im Vorstand, nachdem Justizminister Winfried Bausback die Angelegenheit vorläufig für erledigt erklärt hatte. Das könne nur das Kabinett entscheiden, sagt Seehofer. In der kommenden Woche werde sich der Ministerrat damit befassen. "Die Klageschrift ist fertig. Juristisch gibt es für eine Klage viele gute Gründe. Dagegen steht die tatsächliche Lage", erklärt der CSU-Chef und schiebt gleich noch hinterher: "Eine Klage ist nicht ewig vom Tisch, wenn wir so entscheiden."