München
Die Uhr tickt

Das Verhältnis von CSU und CDU ist trotz Feuerpause nicht gekittet doch eine schnelle Lösung muss her

30.09.2016 | Stand 02.12.2020, 19:14 Uhr

München (DK) CDU und CSU haben sich in eine Falle manövriert. Nun muss eine schnelle Lösung im Schwesternstreit her. Wie die aussehen könnte, ist aber selbst in der CSU-Spitze unklar.

Es ist ruhig geworden in München. Nach einem Jahr Trommelfeuer in Richtung Berlin herrscht derzeit fast schon gespenstische Stille. Die CSU und Ministerpräsident Horst Seehofer haben offenbar einen Waffenstillstand ausgerufen. Zumindest öffentlich werden Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihre CDU derzeit geschont. Das bedeutet aber nicht, dass der Streit um die Flüchtlingspolitik beigelegt wäre. Die CSU beharrt auf ihren Positionen, die CDU will ebenso wenig klein beigeben.

Den Pfad der Logik haben dabei beide Parteien schon lange verlassen. In München ärgert man sich maßlos, dass die CDU zwar in zwei Asylpaketen weitreichende Verschärfungen mitbeschlossen hat, es in der Öffentlichkeit aber so darstellt, als ob noch immer die Politik von vor einem Jahr die richtige sei. Warum man etwas unternimmt und dann so tut, als ob alles beim Alten bleibe, das übersteigt die Fantasie von vielen in der CSU. "Da wäre es ja sogar noch sinnvoller, wenn wir sagen, dass wir was machen, dann aber nichts machen", hieß es vor einiger Zeit aus der Fraktion.

Die Christsozialen selbst sind aber auch nicht besser. Sie weisen zwar immer wieder auf die von ihnen vorangetriebenen Asylpakete hin, legen im nächsten Atemzug aber gleich wieder neue Forderungen oben drauf, die dann die öffentliche Wahrnehmung dominieren. Ihre Erfolge hat die CSU auch schon einmal besser verkauft. Hinzu kommt, dass "Jetzt müssen Taten folgen" zum neuen Parteimotto geworden ist, seit Merkel nach den Wahlniederlagen in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern jahrelange Fehler in der Flüchtlingspolitik eingeräumt hat. Der mitschwingende Subtext: Bis jetzt ist ja noch nichts geschehen.

Mit den Taten meint die CSU unter anderem den Einsatz der Bundeswehr im Innern oder schnellere Abschiebungen. Den mit Abstand größten Symbolwert hat aber die Obergrenze von 200 000 Flüchtlingen, obwohl diese nach Zählungen der CSU in diesem Jahr wohl gar nicht erreicht würde. Die Kanzlerin hält diese bekanntermaßen für relativ sinnfrei.

Die CSU hat sich aber so sehr auf diesen Punkt versteift, dass ein Abrücken davon an der eigenen Basis kaum vermittelbar wäre. Einen versuchten Brückenschlag von Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt, die eine "Richtgröße" ins Spiel gebracht hatte, hat CSU-Chef Seehofer daher auch recht unsanft abgebügelt.

Wie man die verfahrene Situation lösen könnte, dazu sind auch führende Köpfe der CSU derzeit einigermaßen ratlos. Von einem "strategischen Dilemma" sprach in dieser Woche ein Kabinettsmitglied. Ein Landtagsabgeordneter zuckte auf die Frage nach einem Lösungsvorschlag nur mit den Schultern. Ein anderer erklärte, jetzt sei Kreativität gefragt. Er sei selbst gespannt, wie die Verständigung am Ende aussehe.

Und die Uhr tickt, wie Seehofer und Fraktionschef Thomas Kreuzer in den vergangenen Tagen klar gemacht haben. Am 4. und 5. November kommt die CSU zu ihrem Parteitag zusammen. Bis Mitte Oktober muss die Einladung an die CDU-Vorsitzende Merkel raus. Wenn das nicht geschieht, wäre das ein beispielloser Affront. CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer aber untermauerte gestern noch einmal: Merkel müsse die Obergrenze akzeptieren, die bisherige Selbstkritik der Kanzlerin reiche nicht aus.

Wahlkampf für die Spitzenkandidatin Merkel? Derzeit ist das in der CSU nur schwer vorstellbar. Und dennoch glauben alle Beobachter, dass es am Ende doch ein gemeinsames Wahlprogramm geben wird. In den meisten Fragen jenseits des Asylkomplexes sind sich die Unions-Parteien ja nach wie vor einig. Forderungen, die nicht Einzug in das Programm finden, wird die CSU wohl wieder in einem extra "Bayernplan" festschreiben.

Allerdings wird in München ohnehin die Landtagswahl 2018 und nicht die Bundestagswahl im Jahr zuvor als die wichtigere Abstimmung gesehen. Aus dem Nimbus der absoluten Mehrheit zieht die CSU schließlich ihr Selbstvertrauen und ihre Daseinsberechtigung. Die AfD ist dabei nicht das einzige Problem der Christsozialen. Die FDP lag zuletzt wieder über der Fünf-Prozent-Hürde. Sollten beide Parteien in den Landtag kommen und die Freien Wähler drinnen bleiben, wäre es wohl vorbei mit der Alleinherrschaft.

Schwarz-grüne Gedankenspiele auf Bundesebene, die Unions-Stammwähler verschrecken könnten, sind der CSU daher ein Graus. Ein Abgeordneter spricht von einer "Katastrophe", wenn es in Berlin zu einer solchen Koalition käme. Mancher CSUler orakelt daher sogar, ob eine Niederlage im kommenden Jahr und eine rot-rot-grüne Koalition im Bund der CSU letztlich nicht sogar nützlich sein könnten. Schließlich wären dann zwei Probleme gelöst: Merkel wäre weg, und man könnte einen offensiven Landtagswahlkampf gegen Berlin führen.