München
"Die Motorsäge ist ein Klassiker"

Im Fundbüro des Münchner Flughafens finden sich unzählige kuriose Gegenstände

14.02.2018 | Stand 02.12.2020, 16:49 Uhr
01.02.2018, Bayern, München: Zahlreiche Fundstücke stehen in Kisten verpackt im Fundbüro am Flughafen München in einem Regal. (zu dpa-KORR "Lenkräder, geheime Entwicklungspläne und eine Geisha-Perrücke" vom 10.02.2018) Foto: Sven Hoppe/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ −Foto: Sven Hoppe (dpa)

München (DK) Rund 70 000 Gegenstände landen jedes Jahr im Fundbüro des Münchner Flughafens - und darunter sind nicht nur Smartphones, Gürtel und Geldbeutel. In den Regalen finden sich auch einige kuriose Stücke.

Es waren nur noch wenige Tage bis zur Hochzeit. In ihrem weißen Kleid wollte die junge Frau aus Bayern ihrem Liebsten aus den USA in Nürnberg das Jawort geben. Doch dann die böse Überraschung: Das Hochzeitskleid war verschwunden. Auf der Durchreise hatte sie es im hektischen Gewusel vergessen, in irgendeiner der vielen Ecken des Münchner Flughafens. "Eine Geschichte, die ich nie vergessen werde", sagt Josef Rankl, Leiter des Fundbüros.

Das Brautkleid ist nur eines der rund 70 000 Dinge, die jedes Jahr von Fluggästen verloren werden. Auch Gegenstände, die nichts im Gepäck verloren haben und vom Sicherheitspersonal entnommen werden, landen in den Regalen des Fundbüros. Dort werden, neben den üblichen Verlusten wie Jacken, Gürteln und Handys, auch Absurdes wie Kinderwagen, Stemmeisen und ganze Biathlon-Ausrüstungen gesammelt. "Es gibt - glaube ich - nichts, dass ich noch nicht gesehen habe", sagt Rankl, der seit über 30 Jahren am Münchner Flughafen arbeitet.

Dennoch stellt sich Rankl nach all den Jahren bei manchen Dingen immer wieder die eine Frage: "Warum". So auch bei dem Inhalt einer hölzernen Kiste, die er aus dem Regal zieht. Sie sieht fast schon wie eine Schatztruhe aus. Als er sie öffnet, sind aber keine Goldmünzen oder Juwelen darin, sondern eine Perücke, genauer gesagt eine hochwertige, asiatische Geisha-Perücke.

Bei einer Sache wundert sich der Fundbüro-Leiter mittlerweile aber nicht mehr: bei der Motorsäge. "Sie ist zu einem Klassiker geworden. Im Schnitt landet hier eine pro Monat." Allerdings liegt sie nicht im Regal zwischen Klamotten und nie abgeholten Koffern, sondern in einem der Gefahrengutschränke - neben Feuerwerkskörpern, Lenkrädern, flaschenweise Strohrum und Reizgasen.

Neben der Frage nach dem "Warum" sei es auch oft die Geschichte hinter so manchem Fundstück, die Rankl und sein Team verblüffen. So habe ein Mann seinen Pass am Flughafen vergessen. Bei solchen persönlichen, identifizierbaren Verlusten werde der Eigentümer sofort informiert. Nur ging nicht er selbst, sondern seine Frau ans Telefon. "Sie wusste zwar, dass er unterwegs war. Aber eigentlich sollte er auf Geschäftsreise in einer anderen Stadt sein." Wie diese Geschichte weiterging, weiß Rankl nicht, aber "es blieb sicherlich nicht ohne Konsequenzen".

Der Fund geheimer Dokumente dürfte denjenigen, der sie vergessen hat, ebenfalls in eine prekäre Situation gebracht haben. "Es waren Entwicklungspläne zu den neuesten Technologien von einem der großen bayerischen Automobilhersteller." Auch prominente Persönlichkeiten verlieren mal etwas. So wisse er zum Beispiel von vielen unter anderem den bürgerlichen Namen. "Man erfährt wirklich so einiges, aber Diskretion hat oberste Priorität."

Ein halbes Jahr hat der Eigentümer Zeit, sein vermisstes Stück wieder abzuholen. Meldet er sich vor Ablauf der Frist, prüfen die Mitarbeiter des Fundbüros seine Angaben zur Sache noch einmal ganz genau. "Es gibt viele ehrliche Menschen, aber leider auch viele unehrliche, die sich etwas ergaunern wollen", sagt der Fundbüro-Chef. Aus diesem Grund seien die Mitarbeiter entsprechend geschult. "Es braucht ein gewisses Gespür."

Etwa 50 Prozent der Sachen gehen laut Rankl wieder an den Besitzer zurück. Werden persönliche Dinge wie Ausweise oder Bankkarten innerhalb der sechs Monate nicht abgeholt, werden sie vernichtet. Alles andere komme bei Auktionen unter den Hammer. Bis zu zehn Versteigerungen veranstaltet der Flughafen pro Jahr. Der Erlös wird für gemeinnützige Zwecke gestiftet. "Bei einer Versteigerung kamen 15 000 Euro zusammen, die an die Aktion Sternstunden gingen. 15 000 Euro hat der Flughafen dann selbst noch beigesteuert", erzählt Rankl. Bei jeder Auktion werden zwischen 250 und 300 Fundstücke versteigert. Besonders begehrt seien die "Überraschungskoffer" - man ersteigert sie ohne Kenntnis des Inhalts. Zwischen 280 und 500 Euro würden dafür geboten.

"Sobald ein Koffer im Fundbüro landet, wird er aber erst auf gefährliche, verderbliche oder illegale Inhalte geprüft." Bei Laptops werde beispielsweise die gesamte Festplatte gelöscht. Doch neben den Koffern gehen die Hände bei der Versteigerung auch beim Klassiker Motorsäge, Spiegelreflexkameras oder Schmuck zahlreich nach oben. "Kein Gegenstand geht zurück." An ein Objekt erinnert sich der Münchner besonders gerne zurück: ein mit Pailletten besetzter weißer Sombrero. "Zwei der Bieter haben sich herzhaft darum gestritten. Das war herrlich." Schließlich sei er für stolze 190 Euro verkauft worden.

Hunderte Menschen kommen jeweils zur Auktion, manche davon einfach nur zum Zuschauen. "Die Stimmung ist toll und es ist ein überwältigender Moment, das Strahlen in den Augen eines glücklichen Bieters zu sehen, der den letzten Zuschlag bekommen hat", sagt Rankl. Dieses Strahlen hätten auch diejenigen, die ihre verlorenen Sachen wiederbekommen. So auch die verzweifelte Braut aus Nürnberg. Das Kleid wurde entdeckt und ins Fundbüro gebracht. "Wir haben alle Hebel in Bewegung gesetzt, dass sie es wiederbekommt." Mit Erfolg: Ein Fundbüro-Mitarbeiter kam ihr auf halber Strecke nach Nürnberg entgegen und übergab ihr das Kleid.