München
Die Energiewende muss warten

In ihrer Regierungserklärung bleibt Ilse Aigner vage – und zeigt auf Berlin

23.10.2014 | Stand 02.12.2020, 22:05 Uhr

München (DK) Problembeschreibungen ja, Lösungen nein: In ihrer Regierungserklärung zur Energiepolitik blieb Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) gestern äußerst vage und zeigt vor allem auf Berlin. Die Wirtschaft gibt sich besorgt.

Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) dämpft die Erwartungen schon vor Beginn der Sitzung. „Für mich ist das eine sehr kompakte Darstellung aller Probleme, die in Deutschland gelöst werden müssen“, sagt er vor dem Plenarsaal. Probleme, Fragen und Zustandsbeschreibungen also. Initiativen und Lösungen? Stehen offenbar noch nicht auf der Agenda. Die Energiewende stockt.

An ihr ausschweifendes Redemanuskript hält Aigner sich gar nicht erst. Etliche Passagen lässt sie weg. Ihre erste Regierungserklärung ist ein schneller Ritt durch alles, was die Energiepolitik hergibt. Es geht um die geplanten neuen Stromtrassen, um Gaskraftwerke. Wenn 2022 der letzte bayerische Atomreaktor stillgelegt ist, muss wohl mehr als die Hälfte des Stroms aus konventionellen Kraftwerken abgedeckt werden. Weil erneuerbare Energien Vorrang haben, sind viele aber nicht wirtschaftlich und nur noch als Reserve am Netz.

Aigner zeigt auf Berlin. Der Bund müsse Bedingungen schaffen, zu denen Gaskraftwerke wirtschaftlich betrieben werden können. „Wenn in Süddeutschland die Lichter ausgehen, dann ist es auch in ganz Europa dunkel“, sagt Aigner. Auch Seehofer sieht die Verantwortung in Berlin. „Es gibt keine Frage, die wir hier in Bayern allein entscheiden können“, sagt er später. Die bayerische Energiepolitik liegt quasi auf Eis. In den kommenden Wochen will Aigner einen Dialogprozess mit allen Betroffenen führen (Artikel rechts). Erst im Februar dürften Entscheidungen fallen.

Die Sitze im Plenum sind schon während Aigners Rede fast zur Hälfte leer. Auch bei der CSU interessiert ihr Auftritt offenbar nur wenige. Auch mehrere Minister sitzen nicht auf ihrem Platz. Dabei wäre der Tag eigentlich eine gute Gelegenheit, der Ministerin den Rücken zu stärken. Nach ihrer Rede sitzt Aigner auf ihrem Platz gleich rechts neben dem Rednerpult, schlägt die Beine übereinander, stützt den Kopf auf Daumen und Zeigefinger, hört zu. Nach einer halben Stunde kommt Seehofer zu ihr rüber, plauscht mit ihr. Demonstrative öffentliche Solidarität.

Die Opposition legt den Finger in die Wunde. Genüsslich weist SPD-Generalsekretärin Natascha Kohnen auf die Widersprüche in der CSU hin. Die Partei regiere seit 2005 nicht nur in Bayern, sondern auch in Berlin, sagt sie. Dort hatte die Staatsregierung den geplanten Stromtrassen zugestimmt. Zum einen spreche Seehofer von der Unabhängigkeit Bayerns, sagt Kohnen. Zum anderen setze er auf Strom aus Gas, das zum Großteil aus Russland komme. „Den Gaspreis können Sie nicht kontrollieren“, ruft sie. „Putin ist kein demokratisch spaßiger Politiker.“ Die anderen Bundesländer würden den teuren Weg nicht mitgehen, meint sie. „Welchen Grund haben die, unser Chaos zu bezahlen“

Auch aus der Wirtschaft kommt scharfe Kritik. Zehn Prozent der bayerischen Industriefirmen hätten wegen der hohen Strompreise Betriebsteile ins Ausland verlagert oder Kapazitäten in Bayern abgebaut, sagt der Hauptgeschäftsführer des bayerischen Industrie- und Handelskammertages, Peter Driessen. Die Wirtschaft stelle der Politik „ein schlechtes Zeugnis“ aus.

Dem Autor auf Twitter folgen: