München
Der Zukunftstransporter

Die Firma Scherm setzt in München einen der ersten Elektro-Lkw Deutschlands ein – Serienreife ist aber noch weit weg

27.11.2015 | Stand 02.12.2020, 20:29 Uhr

100 Prozent elektrisch: Der Lkw spart etwa 11,8 Tonnen CO2 pro Jahr. Seine Reichweite ist aber noch sehr begrenzt. - Foto: Wenisch

München (DK) Einer der ersten Elektro-Lkw Deutschlands ist seit einigen Monaten auf den Straßen Münchens unterwegs. Die Logistikfirma, die ihn testet, sieht darin eine große Chance für die Zukunft. Die Landesregierung ist mit Prognosen noch vorsichtig.

Als der Fahrer aufs Gas drückt, ist deutlich zu merken: Für einen 40-Tonner hat das Gefährt eine erstaunliche Beschleunigung. Allerdings nicht lange. Als das elektronische Display 40 Kilometer pro Stunde anzeigt, ist Schluss. Schneller geht der Elektro-Lastwagen nicht. „Aber im Stadtverkehr ist das auch völlig ausreichend“, betont Maximilian Roos, Sprecher des Logistikunternehmens Scherm in Karlskron (Kreis Neuburg-Schrobenhausen).

Trotz der gedrosselten Geschwindigkeit: Für die Firma ist der Lastwagen ein Meilenstein. Schließlich ist es einer der ersten Lastwagen mit Elektro-Antrieb, die ganz regulär auf Deutschlands Straßen unterwegs sind. „Wir setzen damit ein Zeichen für Nachhaltigkeit und Umweltschutz“, sagt Roos. 11,8 Tonnen CO2 spart das Fahrzeug des niederländischen Herstellers Terberg im Vergleich zu einem herkömmlichen Diesel-Lkw pro Jahr ein. Dadurch werde natürlich nicht der Klimawandel aufgehalten, aber es sei ein Signal, dass der Umstieg möglich sei, sagt der Firmensprecher: „Bevor wir dieses Pilotprojekt gestartet haben, hat niemand geglaubt, dass Transporte in dieser Größe mit einem Elektro-Lkw möglich sind.“ Achtmal fährt der Laster jeden Tag zwischen einer Scherm-Lagerhalle und einem BMW-Werk im Münchner Norden hin und her, um Autoteile punktgenau zum Einbau abzuliefern. Nur sechs Kilometer lang ist die Strecke, die er dabei zurücklegt, insgesamt ist der Truck also gerade einmal 48 Kilometer pro Tag unterwegs.

Und das zeigt bereits ein Problem von elektronischen Lastwagen und Bussen: Die Reichweite ist bisher noch sehr begrenzt. Maximal 100 Kilometer weit kommt der Lkw mit seinen zwei Batterien – außerhalb der Stadt ist er also nicht nur wegen der gedrosselten Geschwindigkeit nicht zu gebrauchen.

Die Entwicklung von elektronischen Nutzfahrzeugen steckt noch in den Kinderschuhen. Die Länder Bayern und Sachsen haben sich gemeinsam zum Ziel gesetzt, dass bis 2020 etwa 250 000 Elektro-Fahrzeuge auf ihren Straßen unterwegs sein sollen. Anfang März 2015 waren in Bayern nach Angaben des Verkehrsministeriums allerdings nur knapp 25 000 Autos mit elektronischen Komponenten unterwegs, wobei gerade einmal 5000 davon reine Elektroautos waren und der überwiegende Teil Hybridfahrzeuge. Wie viele Elektro-Busse und -Lastwagen bereits unterwegs sind, dazu gibt es keine gesonderten Zahlen. Viel mehr als eine Handvoll dürften es aber nicht sein, denn: „Insbesondere Elektro-Lkw sind nach heutigem Sachstand weder hinsichtlich der erforderlichen Reichweite noch in Bezug auf die Gesamtkosten konkurrenzfähig im Vergleich zu herkömmlichen Lkw“, sagt ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums. Die Staatsregierung legt sich daher auch nicht fest, wie viele der erhofften 250 000 Fahrzeuge große Nutzfahrzeuge sein sollen. Denn anders als bei den Pkw liegt der Fokus der staatlichen Förderung noch nicht darauf, Kaufanreize beispielsweise durch Steuerbefreiungen zu schaffen. Die Förderung konzentriere sich primär auf Forschungs- und Entwicklungsprojekte, heißt es aus dem Ministerium. Allerdings gebe es unter anderem in München und Augsburg schon einige Praxistests mit Elektro-Bussen im öffentlichen Nahverkehr.

Der einjährige Praxistest des Scherm-Lkw dauert noch bis zum kommenden Frühling. Dann soll über eine Ausweitung des Projekts nachgedacht werden. Probleme bereiten allerdings die Kosten: Ein E-Lastwagen kostet etwa 250 000 Euro und damit das zweieinhalbfache seines Diesel-Pendants. Ein Preisunterschied, der sich trotz Wegfall der Tankfüllungen in einem Lkw-Leben nicht rechnet. Dennoch denkt Maximilian Roos bereits einen Schritt weiter: Alleine bei der Teilezulieferung bei BMW könnten 150 Fahrzeuge elektrifiziert werden, erklärt er. Das sei ein enormes Potenzial.

Doch zunächst einmal muss das Fahrzeug den Winter gut überstehen und zeigen, dass die Kälte den Batterien nichts anhaben kann. „Im Sommer haben wir uns wegen der Hitze schon mal Sorgen gemacht, aber er hat es problemlos geschafft“, betont Roos. Die erste Hürde für den Elektro-Lkw ist also gemeistert. Bis er auf Deutschlands Straßen zum normalen Anblick wird, dürfte es aber noch einige Zeit dauern.