München
Der Doktor, die "Madame" und der Dreifachmörder

11.06.2015 | Stand 02.12.2020, 21:12 Uhr

Foto: DK

München (DK) Roger Ponton ist wütend. Der 86-Jährige ist richtig sauer auf Christine und Hubert Haderthauer. Jahrelang habe er dem Ingolstädter Ehepaar vertraut, für die gemeinsame Firma Sapor Modelltechnik mehrere hunderttausend Euro zur Verfügung gestellt, Restaurantbesuche bezahlt, die Haderthauers zu sich ins Elsass eingeladen. „Ich bin sehr gutmütig. Ich habe Vertrauen zu diesen Leuten gehabt und wurde da missbraucht.“ Er sei betrogen und „bestohlen“ worden, sagt er und unterstellt dem Ehepaar „krumme Sachen“.

Bei seiner mit Spannung erwarteten Aussage im Untersuchungsausschuss Modellbau des bayerischen Landtags widersprach Ponton gestern den bisherigen Angaben von Ex-Staatskanzleichefin Christine Haderthauer (CSU) zu der Affäre auf breiter Front. Christine Haderthauer als eine Art stille Teilhaberin der Firma Sapor Modelltechnik? Keineswegs: „Sie hat sich hundertprozentig eingearbeitet.“ Soziales Engagement als Beweggrund für die Tätigkeit des Ehepaars? Nein, „alles nur für Gewinn“. Kein Profit für die Haderthauers durch die Firma Sapor? Für Ponton angesichts der großen Gewinnspanne bei den Modellautos völlig undenkbar.

Nachdem sich der Untersuchungsausschuss in den vergangenen Monaten in erster Linie mit der Situation im bayerischen Maßregelvollzug befasst hatte, ging es gestern mit der Befragung von Ponton und seinem Ex-Geschäftspartner Friedrich Sager um den Kern der Vorwürfe gegen die Haderthauers. Ponton, ein ehemaliger Waffenhändler aus dem Elsass, schilderte, wie er durch Zufall von den finanziellen Nöten einer Modellbaufirma in Bayern erfahren hatte und sich sofort entschloss, das Geschäft zu übernehmen. Er fuhr nach Ansbach, um mit dem Ingenieur Sager eine neue Gesellschaft zu gründen – Sapor Modelltechnik. In ihrem Auftrag sollte der Psychiatriepatient Robert S. für einen geringen Lohn hochwertige Modellautos anfertigen.

Hubert Haderthauer verlangte laut Ponton eine Beteiligung: „Ohne mich geht nichts“, soll er gesagt haben. Der Franzose hielt den Mediziner nach eigenen Angaben für den Klinikchef und willigte ein. Statt des Arztes wurde aber zunächst Christine Haderthauer Gesellschafterin. Warum, das schildert der zweite Ex-Geschäftspartner, Friedrich Sager: „Der Doktor“ habe gesagt, dass er nicht auf beiden Seiten des Tisches sitzen könne, also nicht zugleich Arbeitgeber und Arbeitstherapeut sein könne. Daher habe seine Frau die Geschäftsführung übernommen.

Ponton und Sager berichten übereinstimmend, dass Christine Haderthauer in den ersten Jahren eine sehr aktive Rolle in der Firma Sapor gespielt habe. Weil er selbst sich mit Bürokratie nicht auskenne, habe die „Madame alles geschmissen“, sagt der Franzose Ponton. „Sie hat die ganze Korrespondenz, die Reklame gemacht.“ Immer wieder hätten die Haderthauers von ihm neues Geld gefordert, so der 86-Jährige. Und er habe gezahlt, im Glauben, es handle sich um eine notwendige Anschubfinanzierung. Heute denkt er anders: „Es kam schon Geld rein, ich habe aber nichts gesehen davon. Ich vermute, die haben das beiseitegeschafft.“

Brisant ist auch Pontons Aussage, ihm sei nicht bekannt gewesen, dass es sich bei S. um einen psychisch kranken, gefährlichen Dreifachmörder handelt. „Für mich war es ein korrekter Mensch. Er war wie ein Schäflein, zuvorkommend.“ Die Klinik habe er nicht für ein Gefängnis gehalten.

So führte Ponton nach eigenen Angaben den Straftäter S. nicht nur regelmäßig zum Essen aus, sondern lud ihn auch zu einem Wochenende in seine Jagdhütte ein – in der er auch Gewehre aufbewahrte. Der Ausschussvorsitzende Horst Arnold (SPD) sprach von einem „absoluten Skandal“, dass dem Forensik-Patienten diese Reise erlaubt wurde.

Auch Sager schilderte, dass sich S. relativ frei bewegen konnte. So sei er beispielsweise allein mit dem Straftäter einkaufen gegangen, während Hubert Haderthauer und Ponton sich in ein Café gesetzt hätten. Und wenn Sager sich ungestört in der Klinik bewegen wollte, drückte er nach eigenen Angaben Hubert Haderthauer den Schlüssel zu einem Ferrari in die Hand – und der Arzt machte eine Spritztour.

Ausschuss-Vize Florian Herrmann von der CSU bemühte sich, Pontons Aussagen herunterzuspielen. Sie seien doch sehr lückenhaft gewesen, zu den späteren Jahren habe er überhaupt nichts sagen können. Und überhaupt könne man eine Bewertung erst vornehmen, wenn alle Zeugen gehört worden seien, auch Hubert Haderthauer.

Für die Vertreter der Opposition stellt sich die Lage freilich ganz anders dar. Ponton sei eine „schillernde“ Figur, sagte die Grünen-Abgeordnete Ulrike Gote, unglaubwürdig seien seine Angaben aber nicht. Auch wirkliche Widersprüche könne sie nicht erkennen. Pontons Aussage widerlege jedenfalls ganz klar die Verteidigungsstrategie von Christine Haderthauer.