München
Den Obergrenzen-Streit weglächeln

Union zeigt sich auf "Friedensklausur" betont harmonisch Merkel zur Kanzlerkandidatin gekürt

06.02.2017 | Stand 02.12.2020, 18:41 Uhr

München (DK) Plötzlich soll Harmonie herrschen. Jedenfalls versuchen Angela Merkel und Horst Seehofer, diesen Eindruck zu vermitteln. "Wir ziehen gemeinsam in den Wahlkampf", kündigt der CSU-Chef gestern an. Die Unterstützung der Christsozialen hatte lange auf sich warten lassen. Merkel und Seehofer - gestern gemeinsam vor den Kameras in München. Doch wirkt die Kanzlerin dabei eher angespannt als beflügelt. Kein Wunder, ist der Obergrenzen-Streit doch lediglich ausgeklammert und keine echte Verbundenheit spürbar. Und dann platzt in die Pressekonferenz auch noch die Nachricht, dass die SPD mit Martin Schulz nun in einer ersten Umfrage vor der Union liegt. Merkel in der Defensive? Wie sehr fürchtet sie den Schulz-Effekt? "Ich habe bei jeder Bundestagswahl meine Herausforderer ernst genommen und Respekt gezollt", antwortet sie schmallippig. "Wir müssen unsere Inhalte ordentlich darstellen. Wir müssen gemeinsam auftreten", rät sie der Union für den Wahlkampf.

Eine geschlossene Union, die sich hinter Merkel versammelt - das sollte das Signal dieser "Friedensklausur" der Schwesterparteien in München sein. Die neue SPD-Euphorie um Martin Schulz hatte den Druck kräftig erhöht. "Man muss siegen wollen, man muss kämpfen wollen, man muss zusammenhalten", gibt Seehofer nun den Teamplayer, sichert Merkel die Unterstützung seiner Partei zu. Die CSU, nun nicht mehr auf Konflikt-, sondern quasi auf Kuschelkurs.

Die Kür der Kandidatin wird am Vormittag hinter verschlossenen Türen im Vorstandssaal vollzogen. "Mit erkennbarer, anhaltender Zustimmung", berichtet Seehofer. Als Geschenk überreicht er Merkel ein Bild von Franz Josef Strauß vor dem Brandenburger Tor. Den CSU-Übervater hätte sie sehr gerne mal persönlich kennengelernt, bedankt sich die Kanzlerin.

Verkündet wird die Nachricht von ihrer Nominierung durch die Schwesterpartei in der holzvertäfelten Kantine der Parteizentrale, sie heißt "Löwe & Raute": Die Kanzlerin, deren Raute zum Markenzeichen geworden ist, in der Höhle des bayerischen Löwen. Diesmal erhält sie von Seehofer aber Rückendeckung, keine Abfuhr.

Eine blaue Wand mit den Emblemen von CDU und CSU, ein Tisch, zwei Mikrofone - mehr nicht. Keine Großveranstaltung mit begeisterten Anhängern wie kürzlich bei der SPD mit Martin Schulz. Keine Jubelszenen, kein Bad in der Menge. Es ist ein Versöhnungsgipfel ohne viel Tamtam. "Wir haben es in den letzten Monaten nicht immer einfach mit uns gehabt", blickt Merkel zurück. "Der schwierigste Wahlkampf, den ich erlebt habe" stehe jetzt bevor, die Kanzlerin rechnet mit "Anfechtungen von innen und außen". Nur den Namen ihres SPD-Herausforderers will sie vor den Kameras partout nicht in den Mund nehmen.

CDU und CSU schließen die Reihen - notgedrungen. Es gebe bei den großen Zukunftsthemen mehr Übereinstimmung als Differenzen, so Merkels Credo. Was hatte vorher nicht alles im Raum gestanden? Von einer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht gegen Merkels Flüchtlingspolitik bis hin zur Aufkündigung der Fraktionsgemeinschaft von CDU und CSU - vieles hatte Seehofer erwogen. Und nun, da die SPD voll Euphorie über Martin Schulz in den Umfragen Boden gutmacht, setzt die Union auf Schulterschluss.

Seehofer stehe jetzt vor einem schwierigen Spagat, heißt es aus der CSU-Spitze. Er müsse weiterhin einen harten Kurs in der Flüchtlingsfrage vertreten, um glaubwürdig zu bleiben. Auch beim Thema Obergrenze? Da bleibt der Dissens jedenfalls bestehen. "Ich habe nicht die Absicht, hier die Position zu ändern", stellt Merkel klar. Seehofer, der gedroht hatte, keinen Koalitionsvertrag ohne Obergrenze zu unterschreiben, bleibt ebenfalls dabei: Er werde das Ziel weiterverfolgen. Darauf könne sich die Bevölkerung verlassen.

Der Dissens wird vor den Kameras einfach weggelächelt. "Wir haben eine hervorragende Kanzlerin, international wie national", versichert Seehofer. Sie werde sich "mit voller Kraft" in den Wahlkampf stürzen, kündigt Merkel an und hat es plötzlich ganz eilig. Sie ist schon fast durch die Tür, als Seehofer das Podium verlässt. Den Wahlkampf-Gleichschritt müssen CDU und CSU noch proben.