München
Demonstranten bitte draußen bleiben

Warum die G7-Gegner sich mit ihrer Suche nach Flächen für Protestcamps schwer tun

20.01.2015 | Stand 02.12.2020, 21:45 Uhr

München (DK) Flächen nicht vorhanden, Alternativen nicht bekannt: Die Gegner des bevorstehenden G7-Gipfels in Elmau suchen Grundstücke für ihre Protestcamps, aber überall gibt es ähnliche Absagen. Das Innenministerium fährt schon seit dem vergangenen Jahr eine Verhinderungsstrategie.

Es war eine Besprechung, an deren Ende Helumt Dinter, Bürgermeister der Gemeinde Wessobrunn, Wut im Bauch hatte. Ende des vergangenen Jahres kamen die 34 Bürgermeister des Landkreises Weilheim-Schongau zu einer Dienstbesprechung mit dem Landratsamt zusammen. Letzter Tagesordnungspunkt: der G7-Gipfel auf Schloss Elmau, im Nachbarlandkreis Garmisch-Partenkirchen. Im Sommer wollen die Staats- und Regierungschefs der sieben wichtigsten Industriestaaten im südlichen Oberbayern zusammenkommen. Die Sicherheitsvorkehrungen sind immens. Vor allem wegen der vielen zu erwartenden Demonstranten. Um deren Protestcamps sollte es auf der Besprechung gehen.

Zu diesem Punkt gab der Chef des Kreisordnungsamtes, Helmut Stork – so stellt es Dinter dar – verschiedene Anregungen. Die Bürgermeister sollten den Landwirten in ihren Gemeinden ausreden, Flächen an Protestler zu vermieten, habe Stork gesagt. Sollte doch einer auf die Idee kommen, zu vermieten, solle der Landwirt in der Gemeinde „geächtet“ werden. Die Landwirte könnten auch gleich Gülle auf ihren Flächen aufbringen und sie so unvermietbar machen. Wenn doch ein Vertrag zustande käme, sollten die Behörden den Protestlern eben nicht zu erfüllende Auflagen machen – für die Entsorgung von Müll und Abwasser, für die Zahl an Ordnern.

Er sei empört gewesen, sagt Dinter unserer Zeitung. Auf die Frage, woher die Vorschläge kommen, habe es geheißen, das Innenministerium habe darum gebeten. Dinter kandidiert für eine unabhängige Gemeindeliste und verortet sich politisch links. Seine Version bestätigt die parteilose Bürgermeisterin von Peißenberg, Manuela Vanni. Nur das Wort „geächtet“ sei ihr nicht in Erinnerung. Dinter ist wütend, weil er ohnehin nicht glaubt, dass die Region außer Trubel und Kosten viel von dem Gipfel hat. Aber ihm geht es auch um Gerechtigkeit. „Landwirte, die vermieten, sollen geächtet werden, und der Hoteleigentümer von Elmau ist der Edelmann“, sagt der Bürgermeister. „Das passt mit meinem Demokratieverständnis nicht zusammen.“

Die Dienstbesprechung ist wohl die Folge einer äußerst strikten Haltung des Innenministeriums gegenüber den Protestcamps. Einerseits dienen die Basislager den Demonstranten als Unterkünfte und zur eigenen Organisation. Das ist legitim. Andererseits kam es bei vergangenen Gipfeln, etwa dem von Heiligendamm 2007, offenbar aus den Protestcamps heraus laut Sicherheitsbehörden auch zu gewalttätigen Aktionen. Das will das Innenministerium nun verhindern.

Bereits am 19. September des vergangenen Jahres lud die Regierung von Oberbayern die Ordnungsbehörden der betroffenen Landkreise und der Stadt München zu einer Besprechung – auf Bitten des Ministeriums. Es sei darum gegangen, die Behörden vor Ort für das Thema Camps zu „sensibilisieren“, sagt ein Ministeriumssprecher auf Anfrage. Diese Sensibilisierung hat ganz offensichtlich angeschlagen.

Die Regierung verfasste auch einen Mustermietvertrag, falls ein Grundstückseigentümer doch vermieten sollte. Laut Innenministerium ist er als „Hilfestellung und Anhalt“ gedacht. Das Schriftstück liegt unserer Zeitung vor. Es enthält umfangreiche Auflagen für potenzielle Mieter. Unter anderem wird vorgeschlagen, dass sie eine Kaution von 100 000 Euro hinterlegen sollen. Die Verantwortlichen müssen kontrollieren, ob Minderjährige rauchen oder Alkohol trinken. Sie sollen dazu verpflichtet werden, ausreichend Aschenbecher aufzustellen. Für manche Vergehen sind Vertragsstrafen von bis zu 10 000 Euro vorgesehen. Dass Innenminister Joachim Herrmann (CSU) die Protestcamps am liebsten ganz vermeiden würde, daraus macht sein Haus keinen Hehl. Um Gefahren zu vermeiden, solle „möglichst bereits die Errichtung von Camps verhindert werden“, heißt es im Ministerium.

In den Gemeinden hat das alles offenbar Wirkung. Das Aktionsbündnis „Stop G7“, in dem etliche Gruppen zusammengeschlossen sind, hat sich bei seiner Grundstückssuche etliche Absagen eingehandelt. Ob in Krün, Mittenwald oder Garmisch-Partenkirchen: Immer heißt es, geeignete Grundstücke seien nicht verfügbar. Alternativstandorte seien nicht bekannt. Der Wortlaut ist in allen Fällen verdächtig ähnlich. Und alle enden mit dem gleichen Satz: Falls doch noch eine Fläche gefunden werde, solle man die Gemeinde doch bitte in Kenntnis setzen, „da neben der Zustimmung des Grundstückseigentümers immer eine öffentlich-rechtliche Genehmigung erforderlich ist“.

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