München
"Das wird ein weiteres bürokratisches Monster"

Monika Schmid-Balzert vom Mieterbund hält das geplante Integrationsgesetz für nicht umsetzbar

24.08.2016 | Stand 02.12.2020, 19:23 Uhr

München (DK) Der Deutsche Mieterbund (DMB) in Bayern übt Kritik am Bayerischen Integrationsgesetz. Stein des Anstoßes ist die geplante Änderung des Wohnungsbindungsgesetzes, das in Gebieten mit "erhöhtem Wohnungsbedarf" gilt. Dazu zählen bayerische Großstädte wie München oder Ingolstadt. Ziel ist, durch eine Steuerung der Wohnungsvergabe "einseitige Bewohnerstrukturen" zu vermeiden - etwa durch Zuwanderer. Monika Schmid-Balzert, Geschäftsführerin des DMB-Landesverbands, befürchtet, dass die Vergabe von Sozialwohnungen gerade für diese Menschen künftig erschwert wird.

Frau Schmid-Balzert, es ist doch grundsätzlich lobenswert, wenn in Städten keine Ghettos entstehen. Warum lehnen Sie die geplante Änderung ab?

Monika Schmid-Balzert: Das Ziel ist natürlich sinnvoll, das ist nicht die Frage. Nur das Mittel und der Weg sind einfach falsch. In dem Gesetz steht: Vermeidung von einseitigen Bewohnerstrukturen. Das ist ein völlig unbestimmter Begriff, und das macht es auch so problematisch. Das ist aus unserer Sicht eine viel zu weit gehende Öffnungsklausel. Außerdem: Wann ist eine Bewohnerstruktur einseitig? Liegt eine Einseitigkeit schon vor, wenn 30 Prozent der Bewohner das gleiche Merkmal aufweisen oder erst ab 50 Prozent oder wo soll die Grenze verlaufen?

Halten Sie die geplanten Regelungen für alltagstauglich?

Schmid-Balzert; Nein, damit wird nur ein weiteres bürokratisches Monster geschaffen, mit dem man dem Ziel der Vermeidung von Ghettobildung überhaupt nicht beikommen kann. Das ist faktisch für die Behörden und für den Vermieter nicht durchzuführen.

Wie soll eine Behörde denn feststellen, welches Gebiet gefährdet ist, eine einseitige Bewohnerstruktur auszubilden?

Schmid-Balzert: Das ist die große Frage. Im Prinzip geht es da um den Datenschutz. Man kann ja nur feststellen, ob ein Gebiet gefährdet ist, wenn man die entsprechenden Daten erhoben hat. Dazu braucht es ein Mieterverzeichnis, das anhand von Daten des Vermieters erhoben wird. Da sehe ich datenschutzrechtlich große Probleme, ob das zulässig sein könnte.

Sie warnen, sowohl Wohnungssuchende als auch Vermieter würden gegängelt.

Schmid-Balzert: In Städten wie München oder Nürnberg haben wir ohnehin schon bei gebundenen Wohnungen die Vergabe durch die Wohnungsämter. Immerhin darf sich hier der Vermieter noch aus fünf Leuten, die benannt werden, jemanden aussuchen. Mit dem Integrationsgesetz ändert sich das: Außerhalb dieser durch Rechtsverordnung festgelegten Gebiete wählt der Vermieter zunächst einmal einen Vermieter aus. Stellt das Wohnungsamt dann fest, dass Gefahr besteht, dass eine einseitige Bewohnerstruktur ausgebildet wird, kann das Wohnungsamt den Einzug verweigern - weil der Mieter beispielsweise die falsche Nationalität hat oder weil er alleinerziehend ist, weil er Rentner ist oder schwul oder lesbisch. Da könnten auch Hartz-IV-Empfänger drunter fallen. Wo führt das hin?

Sie kritisieren, die geplante Regelung integriert nicht, sondern grenzt aus.

Schmid-Balzert: Bei der Formulierung "einseitige Bewohnerstrukturen" schwingt aus meiner Sicht schon eine gewisse Bewertung mit. Das ist ja kein neutraler Begriff. Indem ich versuche, bestimmte Strukturen zu vermeiden, grenze ich Leute aus, die bestimmte Merkmale aufweisen.

Der Mieterbund will prüfen lassen, ob die geplante Änderung gegen die im Grundgesetz garantierte Freizügigkeit verstößt.

Schmid-Balzert: Wenn es denn zum Gesetz wird, werden wir es verfassungsrechtlich überprüfen lassen. Ich sehe noch ein Problem: Das Eigentumsrecht wird ja auch eingeschränkt, weil ich meine Wohnung gegebenenfalls nicht an diejenigen Interessenten vermieten kann, an die ich möchte.

Die Fragen stellte Suzanne Schattenhofer. Foto: Mieterbund