München
Das große Kistenpacken

Immer mehr Behörden müssen aus München in wirtschaftlich schwächere Regionen umziehen

19.08.2012 | Stand 03.12.2020, 1:09 Uhr

München (DK) Die Arbeit zu den Menschen bringen: Mit diesem Argument verlagert die Staatsregierung zunehmend Behörden aus München in andere Regionen. Die Opposition und der Bund der Steuerzahler halten das für unnütz und viel zu teuer.

Es war nur einer von vielen Plänen, die Horst Seehofer (CSU) für seinen Urlaub im Altmühltal gefasst hatte. Während der terminfreien Zeit wolle er auch über weitere Behördenverlagerungen nachdenken, sagte der Ministerpräsident kurz vor den Ferien. Etliche Mitarbeiter staatlicher Stellen in München dürfte das in Alarmbereitschaft versetzt haben. Denn zieht die Behörde um, müssen Beamte und Angestellte mit – oder sich einen neuen Job suchen.

Es gebe noch „nichts Konkretes“, heißt es in der Staatskanzlei. Aber dass Seehofers Ankündigung ernst zu nehmen ist, wissen zum Beispiel die Mitarbeiter des Statistischen Landesamtes. Im Jahr 2009 meldete das Versandhaus Quelle in Fürth Insolvenz an. Wenige Monate später beschloss das Kabinett, das Landesamt dorthin zu verlagern. Als Kompensation, wegen der vielen verlorenen Arbeitsplätze.

Teile des Amtes sind inzwischen in Fürth angesiedelt. Bis 2019 sollen auch die anderen Mitarbeiter wechseln. Nicht alle kommen aus München. Viele stammen zum Beispiel auch aus der Region Ingolstadt. Die könnten mit einer Verlagerung sicher leben. Allerdings hat eine Anfrage der Grünen-Abgeordneten Claudia Stamm ergeben, dass insgesamt die wenigsten Mitarbeiter nach Fürth wollen. Von 539 betroffenen Beamten und Angestellten haben nur 22 erklärt, dass sie wechseln werden. 56 würden bei „absoluter Notwendigkeit“ in Franken arbeiten. Die Zahl derer, für die letztlich anderswo eine neue Stelle gesucht werden muss, schätzt die Behörde auf 280.

Mit Behördenverlagerungen reagiert die Staatsregierung auf die schwindende Bevölkerung in manchen Teilen Bayerns. Mit den zusätzlichen Arbeitsplätzen will sie die Regionen attraktiver machen. Ein Grund für die Überlegungen Seehofers ist auch die kürzlich beschlossene Bundeswehrreform. Weil viele Kasernen geschlossen werden, fallen in einigen Kommunen Arbeitsplätze weg. Und die Staatsregierung hat versprochen zu helfen.

Doch nicht nur die negativen Folgen für betroffene Mitarbeiter spielen eine Rolle. Claudia Stamm hält die Verlagerungen für „Geldvernichtung“. Sowohl die Kosten als auch die Funktionsfähigkeit der Behörden scheine dabei keine Rolle zu spielen, sagt die Münchner Abgeordnete. Die Staatsregierung betreibe Politik für die „Provinzfürsten der CSU“.

Auch der Bund der Steuerzahler hält wenig davon. „Wir sehen das äußerst kritisch“, sagt die Vizepräsidentin des Steuerzahlerbundes in Bayern, Maria Ritch. Reisekostenzuschüsse und Umzugsgelder für Mitarbeiter, Bau oder Sanierung von Gebäuden, Doppelstrukturen – Verlagerungen seien meist teuer, meint Ritch. Sie bezweifle, dass Aufwand und Ertrag ausgewogen seien. Wenn man wirtschaftlich schwachen Regionen helfen wolle, solle man das Geld lieber in die regionale Wirtschaftsförderung stecken.

Ähnlich äußert sich auch Yusuf Güngörmüs. Er ist der Personalratsvorsitzende der Staatlichen Lotterieverwaltung. Auch dort erfuhr man vor ein paar Monaten von Umzugsplänen. Bis zu 50 Mitarbeiter sollen von München nach Nürnberg ziehen. In die Heimat ihres obersten Dienstherrn, Finanzminister Markus Söder (CSU). Offizielle Begründung: Nordbayern trage zu mehr als 40 Prozent zum Lotto-Umsatz bei, das Spiel sei dort weit verbreitet. Ein Schulungszentrum soll wohl dort nun entstehen. Güngörmüs hält das für vorgeschoben. „Das stößt bei uns auf null Komma null Verständnis.“

Verlagerungen weg von München laufen auch noch beim Landesamt für Umwelt und in der Finanzverwaltung. Man darf gespannt sein, welche Ideen Seehofer noch hat, wenn er aus dem Urlaub kommt.