München
Die Millionenfrage: Was ist ein Gemälde wert?

Kunsthändler soll den Textilfabrikanten Hans Bäumler betrogen haben Prozess zeigt die großen Preisspannen

20.02.2017 | Stand 04.01.2022, 19:46 Uhr

Feuriger Reiter: Ist das Gemälde von Henri de Toulouse-Lautrec im Besitz von Hans Bäumler eine oder zwei Millionen Euro wert - Foto: privat

München (DK) Mit einer ausgiebigen Bilderschau ging gestern vor dem Landgericht München I der Strafprozess gegen einen Münchner Kunsthändler weiter, der den früheren Textilhändler Hans Bäumler beim Verkauf von Gemälden um mehrere Millionen Euro betrogen haben soll.

Sven Zibelius, Kunsthändler aus Greding, hat im Auftrag der Staatsanwaltschaft die 13 Bilder begutachtet, die Bäumler bereits 2011 für 4,2 Millionen Euro erworben hat.

Über mehr als drei Stunden lang ging er von Gemälde zu Gemälde: Zibelius referierte über Lichteinfall und Schattierungen, über den geringeren Wert von Porträts im Halbprofil oder die summarische Darstellung von Gesichtern. Doch was ist ein Bild tatsächlich wert, und wann gilt es als überteuert? Da sind sich nicht einmal die Gutachter einig. Jedenfalls entschied das Gericht nach langem Hin und Her, zur Beurteilung nicht den Verkehrswert eines Werkes zugrunde zu legen, sondern den maximalen Wert bei einer Wiederbeschaffung. Und der liegt um ein Vielfaches höher, denn er orientiert sich am Preis im Kunsthandel mit seinen stattlichen Aufschlägen. Bei dieser Betrachtungsweise verringert sich natürlich auch die Summe, um die Bäumler angeblich betrogen worden sein soll.

Besonders markant zeigt sich der Unterschied bei einem Gemälde von Henri de Toulouse-Lautrec (Foto) aus Bäumlers Sammlung. Laut Gutachter hat es einen Verkehrswert von rund 45 000 Euro, den Beschaffungswert bezifferte Zibelius auf rund eine Million Euro. Eine andere Gutachterin kommt sogar auf zwei Millionen. Bezahlt hat der Kunstsammler aus Ingolstadt für dieses Bild knapp 600 000 Euro. Angesichts dieser Zahlen stellte Verteidiger Peter Witting die provokante Frage: "Worum verhandeln wir hier überhaupt noch" Er hatte von Beginn an einen Freispruch für seinen Mandanten gefordert.

Dessen Verhältnis zu Hans Bäumler stand im Mittelpunkt der Vernehmung von Roswitha Seitz, der langjährigen Lebensgefährtin des Unternehmers. Der habe den Kunsthändler sehr geliebt - mehr als seinen leiblichen Sohn. "Er wollte ihn sogar adoptieren." Sie beschrieb, wie dieser plötzlich seinen Lebensstil änderte und auf Distanz ging: "Früher fuhr er Radl, dann Lamborghini und Rolls-Royce." Ihren Ex-Lebensgefährten beschrieb sie als misstrauisch und sehr sparsam: "Weil in Österreich das Benzin billiger ist, haben wir dort getankt und Kanister mitgenommen für den Rasenmäher in Ingolstadt."

Bäumlers Rechtsanwalt Harald Mosler erklärte im Zeugenstand, er sei erst 2013 eingeschaltet worden, als Bäumler schon Betrug witterte und einen Vergleich mit dem Kunsthändler anstrebte. "Er schämte sich und wollte kein Gerichtsverfahren." Doch dieser Handel kam nicht zustande. Das Urteil wird heute erwartet.