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Einen Tag vor seiner Ernennung zum Bundesinnenminister leitet Seehofer noch einmal die Kabinettssitzung

13.03.2018 | Stand 02.12.2020, 16:42 Uhr

Auftritt des scheidenden Ministerpräsidenten: Horst Seehofer kommt zur Kabinettssitzung in München, die er zum letzten Mal leitet. Am Freitag wird der bisherige Finanzminister Markus Söder (vorne) zum elften bayerischen Ministerpräsidenten gewählt. - Foto: Stache/AFP

München (DK) So, die Plakate im Pressekonferenzraum der Münchner Staatskanzlei können jetzt weg: "Bayern. Die Zukunft. Es ist ein Glück, in Bayern zu leben! Horst Seehofer, MdL, Bayerischer Ministerpräsident", steht darauf. Der 68-Jährige ist ab heute nicht mehr bayerischer Ministerpräsident - mit Ablauf des gestrigen Tages, Punkt 24 Uhr, wurde sein vergangene Woche eingereichter Rücktritt wirksam. Und Bayern ist jetzt nicht mehr "Die Zukunft" - zumindest nicht für den Berufspolitiker Seehofer. Ihm wird heute der Bundespräsident die Ernennungsurkunde als Bundesinnenminister überreichen. Seehofer ist jetzt politisch ein Berliner.

Gestern leitete er seine letzte Kabinettssitzung. Auf der Agenda standen etwa die außenwirtschaftlichen Herausforderungen, die Finanzierung der Bundesfern- und Staatsstraßen in Bayern oder das Betriebsmodell für das Münchner Konzerthaus. Nach der Kabinettssitzung ist wie üblich in der Staatskanzlei eine Presse-Unterrichtung anberaumt. Diesmal mit Seehofer selbst. Allzu oft hatte er sich dort in den vergangenen Jahren nicht blicken lassen. Aus dem Kabinett berichtete stattdessen für gewöhnlich sein Staatskanzleiminister Marcel Huber, ab und an unter Mithilfe thematisch betroffener Fachminister.

Gestern also betrat Seehofer den vor Journalisten übervollen Presseraum - zum ersten Mal seit Längerem, und zum letzten Mal als bayerischer Ministerpräsident. "Meine Damen und Herren, wir hatten heute die letzte Kabinettssitzung unter meiner Führung. Wir haben uns beschäftigt mit der wirtschaftlichen Lage des Freistaats Bayern und den außenwirtschaftlichen Herausforderungen für die bayerische Wirtschaft. Deshalb, glaube ich, sind Sie aber nicht gekommen, sondern wir wollen uns voneinander verabschieden in dieser Formation."

Er habe seinem Kabinett für die gute Zusammenarbeit und allen Mitarbeitern der bayerischen Staatsverwaltung gedankt. Sein Regierungsmotto sei stets gewesen, dass eine Gesellschaft nur blühen könne, "wenn Recht und Ordnung gelten". Sein oberster Grundsatz sei die "Achtung vor der Menschenwürde" gewesen, weil dies bedeute, dass man dem anderen gegenüber immer Respekt zur Geltung bringe und niemanden herabsetze. Raunen bei den Journalisten - nur allzu gut erinnern sie sich, wie Seehofer sie selbst oder andere als "Pyjama-Strategen" maßregelte, von "Mäusekino" und "mangelnder Flughöhe" sprach.

Gleichwohl bedankte sich Seehofer bei den Journalisten. Sie hätten ihm zwar manchmal unmissverständlich klar gemacht, was sie von ihm hielten; er umgekehrt aber auch. Im Übrigen glaube er, er habe "ausreichend Stoff geliefert". Er sei halt immer "um produktive Unruhe bemüht" gewesen. Das werde sich auch nicht ändern, wenn er nun nach Berlin gehe, kündigte Seehofer an - und machte bei der Gelegenheit klar, dass derlei nicht eine Flucht aus Bayern sei. Schließlich habe es ja keinen Skandal gegeben, dessentwegen er hätte zurücktreten müssen.

Vielmehr führe er künftig ein Bundesministerium, das aus vier Häusern bestehe und somit so groß sei, wie es noch nie zuvor eines in der Geschichte der Bundesrepublik gegeben habe. Auch dass er acht Staatssekretäre habe, fünf beamtete und drei parlamentarische, sei bisher einmalig. "Ich freue mich auf meine Arbeit, so gerne ich das in Bayern auch gemacht habe." Ja, die Wehmut Seehofers war durchaus spürbar. "Es war eine wunderschöne Zeit", sagte er etwa, und: "Das ist eine Zäsur, die einem unter die Haut geht und die Seele erfasst."

Seinem designierten Nachfolger Markus Söder, so merkte es Seehofer an, habe er "Gottes Segen" und "eine glückliche Hand" gewünscht, "in einem Amt, das eine Person voll fordert". Mit dem Rücktritt Seehofers, so will es die Bayerische Verfassung, gilt automatisch sein gesamtes Kabinett als zurückgetreten. Allerdings bleibt es geschäftsführend im Amt, mit Wirtschaftsministerin Ilse Aigner an der Spitze - sie ist stellvertretende Ministerpräsidentin. Die Vertretung des Freistaates nach außen obliegt derweil bis zur Wahl eines neuen Ministerpräsidenten der Landtagspräsidentin Barbara Stamm. Auch das steht in der Verfassung.

Für die Wahl Söders als neuen bayerischen Ministerpräsidenten hat der Ältestenrat des Landtags den Freitag vorgesehen. Am Mittwoch nächster Woche, 21. März, wird dann Söders neues Kabinett vereidigt, ebenfalls in einer Sondersitzung des Landtags. Personalien sind bis heute keine bekannt geworden. Gerechnet wird mit einem mittelgroßen Umbau durch Söder - genügend, um Aufbruch zu signalisieren und eine eigene Handschrift Söders deutlich zu machen, aber kein Radikalumbau. Schließlich muss die Staatsregierung im aufziehenden Landtagswahlkampf voll einsatzfähig sein. Eine Mannschaft, die sich erst einmal ein halbes Jahr einarbeiten müsste, wäre da kontraproduktiv. Wie die neue Doppelspitze funktionieren wird, bleibt abzuwarten. Seehofer wies gestern jedenfalls darauf hin, dass er "ja noch Parteivorsitzender der Christlich Sozialen Partei" sei - und bat dann, das "noch" aus dem Satz zu streichen. Ein klares Statement.

Als Bundesinnenminister ist Seehofer zwar qua Amt ein Berliner, aber "mein Lebensmittelpunkt bleibt in Bayern, in Ingolstadt", sagte er. Er werde halt künftig nicht mehr eine Stunde nach München pendeln, sondern vier Stunden nach Berlin.Ob er sich dort eine Wohnung nehme oder "in den Kellerräumen des Bundesinnenministeriums, muss ich erst noch sehen", ulkte Seehofer. Zum Abschied gab es übrigens von den Mitarbeitern der Staatskanzlei eine Miniatur des Hauses und vom Kabinett eine CD mit den Sitzungsprotokollen.