München
Welche Folgen hat das CSU-Fiasko?

Seehofer will weitermachen – „Offene Flanke auf der rechten Seite“ soll geschlossen werden

24.09.2017 | Stand 02.12.2020, 17:27 Uhr

München (DK) Erstarren, eisiges Schweigen, völlig ungläubiges Staunen bei den Gästen in der CSU-Parteizentrale im Münchner Norden, als Punkt 18 Uhr die ersten Prognosen über die Fernsehbildschirme flimmern.

Nur kurz, als die Debakel-Zahlen der SPD eingeblendet werden, kommen ein paar Hurra-Schreie und ein klein wenig Applaus auf. Als dann der BR die spezielle Bayern-Prognose für die CSU sendet, nur noch Betretenheit, Geflüster, Gemurmel. Die AfD zweistellig, offenbar auch in Bayern – und ein CSU-Ergebnis, das zehn Prozentpunkte unter dem Ergebnis der letzten Bundestagswahl 2013 liegt. Binnen Minuten ist zu vernehmen, dass das in der CSU nicht ohne personelle Konsequenzen bleiben könne.

Von Parteichef Horst Seehofer oder CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer ist noch nichts zu sehen. Von den CSU-Bekanntheiten wagt sich Erwin Huber, der 2008 als Parteichef gehen musste, weil er „nur“ ein 43,4-Prozent-Ergebnis eingefahren hatte, als erster vor die Kameras. Die Inhalte und das Verhältnis zur CDU müssten jetzt auf den Prüfstand, sagt er, und: „Man kann jetzt nicht nach dem Prinzip ,Weiter so’ weitermachen.“ Als das, was Huber sagt, auf den Bildschirmen zu hören und zu sehen ist, schallte es quer durch den Raum: „Genau!“

Schließlich tritt Seehofer auf die Bühne. Es gebe „nichts schönzureden“, sagt er. Das Ergebnis sei „eine herbe Enttäuschung – sowohl für CDU/CSU im Bund als auch für die CSU in Bayern“. Es habe „eine offene Flanke auf der rechten Seite gegeben“, die müsse „mit klarer Kante und klaren politischen Positionen“ geschlossen werden. Fast wortgleich hat sich Minuten davor Seehofers Wahlkampfmanager Scheuer geäußert.

Seehofer versichert, die anstehenden Herausforderungen würden geschlossen angegangen. Ohnehin: Alles, was die CSU gemacht habe, ob Strategie oder Ziele, „immer“ sei „alles abgestimmt worden“. Will heißen: Seehofer und sein Führungsteam haben keine Fehler gemacht. Jetzt ist Vorwärtsverteidigung angesagt. Schon vorher hat Verkehrsminister Alexander Dobrindt, übrigens einer von Seehofers engsten Vertrauten, die Parole ausgegeben: „Keine Personaldiskussionen.“

Ob das klappt? Seehofer will seine Partei wie angekündigt in die Landtagswahl im kommenden Jahr führen. „Ich bin dazu bereit“, erklärt er. Angesichts der zu erwartenden innerparteilichen Angriffe fordert Seehofer die CSU-Kollegen auf, „menschlich anständig“ miteinander umzugehen. Im Februar hatte er ein Aufbegehren im Parteipräsidium mit den Worten niedergeschlagen: „Ihr könnt mich nach der Wahl köpfen.“ Gestern nun sagte er in der ARD: „Wer will, kann gerne über mich diskutieren oder zu weiteren Taten schreiten.“

Aus dem CSU-Vorstand hieß es, dass das Bundestagswahlergebnis „ein unglaublicher Rückschlag für die Landtagswahl“ im kommenden Jahr sei. Heute tagt in München der CSU-Vorstand, morgen treffen sich CDU und CSU in Berlin, am Mittwoch wird die CSU-Landtagsfraktion die nächsten Schritte vereinbaren. Welche Auswirkung das auf Seehofers Position hat, bleibt abzuwarten. Unter den CSU-Landtagsabgeordneten, die sich im kommenden Jahr der Wahl stellen müssen, ist die Nervosität gestern jedenfalls auf ein Höchstmaß gestiegen. Die Frage ist: Traut man Seehofer zu, das Blatt noch einmal zu wenden? Oder geht eine Ära zu Ende?