München
Brisante Erinnerungen

Aussage des Dreifachmörders Roland S. im Untersuchungsausschuss ist heikel für das Ehepaar Haderthauer

26.06.2015 | Stand 02.12.2020, 21:08 Uhr

Der verurteilte Dreifachmörder Roland S. zeigt im Konferenzsaal des bayerischen Landtags Fotos der von ihm gebauten Oldtimer-Modelle. - Foto: Jerabek

München (DK) Einen solchen Andrang hat der Untersuchungsausschuss zum Fall Haderthauer noch nicht erlebt. Gestern sagte Roland S. als Zeuge aus, ohne dessen Modellbau-Talent es die Affäre nicht gegeben hätte.

Die Sicherheitsvorkehrungen waren streng. Zu seiner zehnten Sitzung hatte das Gremium, das die Modellbau-Affäre um Ex-Staatskanzleichefin Christine Haderthauer (CSU) und ihren Mann politisch aufarbeiten soll, einen Schlüsselzeugen geladen: In Begleitung von zwei Polizisten, seines Anwalts und einer Therapeutin wurde der Dreifachmörder Roland S. aus der forensischen Psychiatrie in Straubing nach München gebracht.

Sechseinhalb Stunden nimmt sich der Ausschuss Zeit, um den 76-Jährigen zu befragen. Und die Aussagen haben es in sich. Vieles ist für die Ausschussmitglieder nicht neu. Brisant ist es trotzdem: Es geht um haarsträubende Sicherheitsstandards im Maßregelvollzug und natürlich um das Ehepaar Christine und Hubert Haderthauer. Um dem 76-Jährigen zuzuhören, ist auch ein alter Bekannter von S. zeitweise unter den Zuschauern im Saal: Gustl Mollath, der sieben Jahre zu Unrecht in der Psychiatrie gesessen und in dieser Zeit auch den Dreifachmörder kennengelernt hatte.

Geduldig, freundlich und überaus klar antwortet S., der leger in Jeans und Hemd gekleidet ist, auf die Fragen der Abgeordneten. Auch wenn die Ereignisse bis zu zweieinhalb Jahrzehnte zurückliegen, kann sich der 76-Jährige sogar an Details noch gut erinnern. Das macht ihn aus Sicht der meisten Ausschussmitglieder sehr glaubwürdig. Und das macht seine Aussage so heikel für das Ehepaar Haderthauer.

Während sich die frühere Staatskanzleichefin zum Beispiel nicht mehr daran erinnern kann, mit S. jemals zum Essen gewesen zu sein, schildert der 76-Jährige gleich zwei solcher Treffen: eine Besprechung im Elsass beim Geschäftspartner der Haderthauers, Roger Ponton, und dann einen Restaurantbesuch in Ingolstadt, bei dem ihm die Anwältin sogar das Du angeboten habe. Für S. steht auch fest, dass Christine Haderthauer – entgegen ihren Angaben – eine aktive Rolle bei der Firma Sapor Modelltechnik gespielt habe: „Sie wusste Bescheid.“

Roland S. ist einer der Protagonisten der Modellbau-Affäre, die die damalige Staatskanzleichefin Christine Haderthauer im Herbst 2014 zum Rücktritt zwang. Zwar arbeiteten bis zu einem Dutzend Psychiatriepatienten an den hochwertigen Oldtimer-Modellen mit, doch ohne S. ging nichts in der sogenannten Arbeitstherapie Modellbau: Er zeichnete die Pläne, suchte das Werkzeug aus, verteilte die Arbeit, überwachte Materiallieferungen und Produktion. „Vom ersten Bleistiftstrich bis zum Werkstattkehren war ich überall involviert“, sagt er im Ausschuss.

Verkauft wurden die günstig produzierten Autos von der Firma Sapor Modelltechnik, deren Gesellschafter nacheinander Christine und Hubert Haderthauer waren. Von Therapie konnte bei dem Projekt laut S. keine Rede sein: Zwar sei Hubert Haderthauer in der Anfangszeit ständig da gewesen, „aber wirklich therapeutische Gespräche haben nicht stattgefunden“. Obwohl er sowohl in Ansbach als auch in Straubing mehrfach nachgefragt habe, sei für ihn erst 2014 ein Therapieplan erstellt worden.

Der Zeuge stützt mit seiner Aussage den Vorwurf, dass es Hubert Haderthauer vorrangig ums Geschäft gegangen sei. Ab 1994 – zu diesem Zeitpunkt war der Mediziner nicht mehr in Ansbach – hätten die Patienten manchmal auch samstags arbeiten müssen, weil Haderthauer den Druck erhöht habe, schneller zu produzieren. 50 bis 60 Stunden Arbeit in der Woche sind für S. keine Seltenheit. Deutlich wird aber auch: S. hat es gern gemacht. Die Aufgabe tat ihm gut. Er habe es einfach für sich selbst als eine Art Therapie genommen, erläutert er. „Ich habe dabei ja auch gelernt: Ausdauer und Zuverlässigkeit.“

S. beschreibt zudem erschreckende Sicherheitsmängel in den 1990er Jahren in der Ansbacher Forensik. Immer wieder seien Patienten geflohen. „Natürlich hätte ich das auch gekonnt“, betont er. „Ich habe mir auch das Loch, das aus den Gitterstäben gesägt war, angeschaut. Da sind fünf auf einmal gegangen.“ Aber S. blieb. Und er kam immer wieder zurück, wenn er Ausgang aus der geschlossenen Klinik bekam – ins Restaurant in Ansbach, mit Hubert Haderthauer auf eine Messe in Dortmund oder übers Wochenende zu Ponton ins Elsass.

Ausschuss-Vize Florian Herr-mann (CSU) warnt nach der Sitzung vor voreiligen Schlüssen. Eine Bewertung werde der Ausschuss am Ende seiner Arbeit vornehmen, sagt Herrmann. S. habe jedenfalls deutlich gemacht, dass die Modellbautherapie für ihn ein Fortschritt gewesen sei. Auch sei nun klar, dass S. seit 2000 keinen Kontakt zu Christine Haderthauer mehr gehabt habe. Er könne in der Aussage nichts Belastendes erkennen für die Ex-Ministerin, versichert der CSU-Politiker.

Der Ausschussvorsitzende Horst Arnold (SPD) wertet die Angaben von S. dagegen als Beleg dafür, dass Christine Haderthauer bei Sapor eindeutig Verantwortung getragen habe: „Christine Haderthauer stand mit dem Modellbauer Roland S. auf Du und Du.“ Und auch Peter Bauer von den Freien Wählern sieht die Vorwürfe gegen das Ehepaar Haderthauer weiter erhärtet und sagt: „Daher wird wohl nichts aus einem Haderthauer-Entlastungs- ausschuss – so wie ihn die CSU anstrebt.“