München
Bayern trägt Trauer

In Schockstarre: Nach der Finalniederlage gegen Chelsea sind die Münchner Fußballfans fassungslos

20.05.2012 | Stand 03.12.2020, 1:28 Uhr

 

München (DK) Am Tag danach stehen Sebastian und Daniel auf dem Marienplatz und starren auf den leeren Rathausbalkon. Eigentlich sollten hier jetzt tausende stehen, genau wie die beiden in roten Bayern-Trikots. Sie sollten auf die Mannschaft warten. Auf den Sieger der Champions League 2012. „Das war der Plan“, sagt Daniel. Aber auf dem Platz drängen sich an diesem Sonntagvormittag vor allem normale Touristen. Sie lauschen dem Glockenspiel.

Sebastian und Daniel, Mitte zwanzig, Sonnenbrillen, in der Hand Getränkebecher, sind extra aus dem Sauerland angereist. Sie wollten feiern, aber nach dem Finale am Samstag sind sie direkt in ihr Hotel gegangen. Aus der Heimat, wo fast jeder Dortmund-Fan ist, kommt sowieso schon Spott. „Auf Facebook stehen schon jede Menge hämische Kommentare“, sagt Sebastian.

Auf dem Balkon wird ein Kameragestell abgebaut, Kabel werden eingerollt. Der FC Bayern kommt nicht zum Marienplatz. Die Mannschaft hat im Elfmeterkrimi gegen den FC Chelsea verloren. So richtig fassen kann das an diesem Sonntag noch immer nicht jeder. Zu groß waren die Erwartungen an das Spiel der Spiele.

Der Samstag verspricht ein guter Tag zu werden. Die Sonne scheint, aber es herrscht keine Gluthitze. Gut gelaunte Fans in der Innenstadt. Menschen in roten Trikots pilgern in Biergärten und Kneipen, die Fernseher oder Leinwände auf den Bürgersteigen aufgebaut haben. Langsam füllen sich auch die beiden Fanfeste im Olympiastadion und auf der Theresienwiese. Allein dort fiebern fast 100 000 Fans dem Spiel entgegen. Insgesamt kommen an die 190 000 Menschen in die Stadt, weit mehr als 20 000 davon aus England. Sebastian und Daniel sehen sich das Spiel im Hirschgarten an, einem Biergarten im Westen der Stadt.

Die Stimmung ist entspannt. Abgesehen von kleineren Rangeleien. Auf dem Marienplatz treffen kurz einige hundert Fans von Bayern und Chelsea aufeinander. Ein Stuhl fliegt durch die Menge, verletzt einen Bayern-Fan. Der Täter wird festgenommen. Insgesamt gibt es 143 Festnahmen. Doch die Polizei ist zufrieden.

Die Bayern-Fans sind lange gut gelaunt. Das Spiel läuft nach Plan, die Mannschaft ist überlegen. Im Olympiastadion und auf der Theresienwiese werden bengalische Feuer angezündet. Dann das 1:0 für Bayern in der 83. Minute. Ohrenbetäubender Jubel im Olympiastadion. Die Rot-Weißen liegen sich in den Armen. Das muss doch der Siegtreffer gewesen sein. Ganz klar. Es sind ja nur noch wenige Minuten. Wer durch die Innenstadt läuft, hört die Gesänge aus Kneipen und Biergärten dringen. Doch dann dieser Eckball kurz vor Schluss. Kopfball Didier Drogba zum 1:1. Der Aufschrei ist jetzt deutlich leiser. Chelsea jubelt. Es folgt die Verlängerung. Das Elfmeterschießen. Der entscheidende Strafstoß. Wieder Drogba. Stille auf den Fanfesten und in den Biergärten. Fassungslosigkeit.

Die Chelsea-Fans dagegen jubeln. Menschen in blau und weiß fluten Marienplatz und Odeonsplatz. Die meisten Bayern-Fans wollen schnell nach Hause. Im Hauptbahnhof stauen sich die Massen. Innerhalb von zwei Stunden wollen 8000 Menschen Richtung Ingolstadt und Nürnberg. Die Züge sind vollgequetscht. Ein paar hundert Fans schlafen lieber gleich im Bahnhof.

Wie Sebastian und Daniel kommen gestern dann doch ein paar Bayern-Fans zum Marienplatz. Das Glockenspiel ist vorbei. Auf einem Absperrgitter an der Mariensäule, das vom Vortag übrig geblieben ist, sitzen vier junge Männer und eine Frau in rot-weißen Trikots. Sie singen und heben die Hände in Richtung Rathausbalkon. Die beiden Sauerländer sind da aber schon gegangen. Noch ein kurzer Abstecher in den Biergarten. Danach geht es nach Hause.