München
Bayern kontrolliert Grenzen jetzt selbst

Einigung zwischen Bund und Freistaat Seehofer verschiebt Vorstellung von Zuwanderungspapier

05.12.2016 | Stand 02.12.2020, 18:57 Uhr

München (DK) Bisher hat der Bund Hilfe bei der Grenzsicherung stets vehement abgelehnt. Gestern folgte die Kehrtwende. Die CSU fühlt sich als Sieger.

Nach monatelangem Streit wird der Freistaat der Bundespolizei nun doch bei den Kontrollen an der bayerisch-österreichischen Grenze unter die Arme greifen. Bayern werde die Bundespolizei ab 15. Dezember zunächst mit einer Hundertschaft unterstützen, sagte Innenminister Joachim Herrmann gestern am Rande einer CSU-Vorstandssitzung in München. Mithilfe der bayerischen Polizei sollen zunächst die drei Autobahnübergänge bei Passau, Salzburg und Kufstein rund um die Uhr kontrolliert werden. Zudem sollen auch die etwa 60 kleineren Grenzübergänge verstärkt überwacht werden. Hier sind mehr flexible Kontrollen geplant.

Bisher kontrollierte die Bundespolizei die Autobahnübergänge nur zeitweise, was in der CSU seit Monaten Proteste hervorruft. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) lehnte die seit Langem angebotene Hilfe aber ab und betonte, dass die Sicherung der Grenzen Sache des Bundes sei. "Wenn Grenzkontrollen stattfinden, dann sollen sie auch richtig stattfinden", betonte Herrmann. Was zum Sinneswandel des Bundes geführt habe, könne er nicht sagen. In CSU-Kreisen hieß es aber, dass ein Vier-Augen-Gespräch zwischen Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zu der Lösung geführt haben dürfte.

Herrmann sagte, dass keine Kräfte aus bayerischen Polizeidienststellen abgezogen werden sollen. Die Unterstützung für die Bundespolizei, die die Oberhoheit über die Kontrollen behält, wird demnach ausschließlich von der bayerischen Bereitschaftspolizei geleistet. Zu Einschränkungen kann es aber dennoch kommen: Es könne sein, dass bei einem Fußballspiel einmal weniger Polizisten im Einsatz seien, sagte Herrmann, der die Einigung als Erfolg für die CSU verbuchte. De Maizière erklärte: "Die Bewältigung der Migrationslage ist eine Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Ländern." Nun werde die vertrauensvolle Zusammenarbeit von Bundes- und Landespolizei ausgebaut.

Vermutlich auch mit Blick auf diesen Erfolg und den heute beginnenden CDU-Parteitag bemühte sich die CSU gestern im Streit der Schwesterparteien, kein neues Öl ins Feuer zu gießen. So verschob Parteichef Seehofer die Vorstellung eines Positionspapiers zum Thema Zuwanderung - offiziell geschah dies aber wegen des Mordes an einer Freiburger Studentin. So sagte Seehofer mit Blick auf den Fall, bei dem in der vergangenen Woche ein minderjähriger Flüchtling als mutmaßlicher Täter festgenommen worden war, er wolle überlegen, "ob im Bereich der Sicherheit Zusätzliches notwendig ist oder ob das, was im Moment rechtlich gilt, ausreicht".

Ursprünglich wollte Seehofer das Papier zur Zuwanderung, an dem er und die Parteispitze seit Wochen arbeiten, in der gestrigen Vorstandssitzung vorstellen. Darin sollen die CSU-Positionen zur Migrationspolitik im Hinblick auf den bevorstehenden Bundestagswahlkampf kompakt zusammengefasst werden. Auf die Frage, ob der CDU-Parteitag eine Rolle spiele, sagte Seehofer: "Wir leben im Zeitalter der Deutungen - das kann ich Ihnen nicht verwehren."

Die Diskussionen zwischen CDU und CSU nehmen aber auch ungeachtet dessen wieder Fahrt auf. Seehofer sagte, die Gespräche zwischen ihm und der Kanzlerin liefen vernünftig, aber: "Es gibt dann immer wieder Zwischenakkorde, die nicht ganz dem entsprechen, was ich als vernünftig einstufe."

Damit meine er insbesondere Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), der die von der CSU geforderte Obergrenze am Wochenende als "Symboldebatte", die kein Mensch brauche, bezeichnet hatte. Seehofer nannte die Äußerungen "völlig unnötig". Die CSU werde auf der Obergrenze beharren und keinen Koalitionsvertrag ohne die Marke von 200 000 Flüchtlingen unterschreiben.