München
Bayern droht mit Sonderweg bei der Energiewende

Wirtschaftsminister Zeil wirft dem Bund zu langsames Tempo und "schlampige Gesetzgebung" vor

03.02.2012 | Stand 03.12.2020, 1:52 Uhr

München (DK) Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP) hat die Bundesregierung wegen des schleppenden Tempos bei der Energiewende scharf kritisiert und mit einem bayerischen „Sonderweg“ gedroht. „Man darf mit dem Wirtschaftsstandort Bayern nicht spielen“, sagte Zeil in München.

Wenn 2015 mit Grafenrheinfeld der nächste bayerische Atomreaktor vom Netz gehe, könne er die Versorgung „nicht mehr ohne Wenn und Aber garantieren“.

Der Wirtschaftsminister griff Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundesumweltminister Norbert Röttgen (beide CDU) scharf an. Die Gesetzgebung sei „schlampig“, sagte er. „Wenn Berlin so weiterwurstelt wie bisher, gerät der Wirtschaftsstandort Bayern in Gefahr“. Sein Plädoyer sei ein „Weckruf aus Bayern“. Konkret forderte Zeil unter anderem einen schnelleren Ausbau der Stromnetze, eine Reform des Erneuerbare Energien Gesetzes (EEG) und ein Konzept zur Förderung neuer Gaskraftwerke.

Nach der Atomkatastrophe von Fukushima hatte die Bundesregierung im vergangenen Jahr beschlossen, bis zum Jahr 2022 alle deutschen Atomkraftwerke stillzulegen. Bis dahin soll die Versorgung mit erneuerbaren Energien etwa aus Wind, Sonne, Wasserkraft und Biomasse kräftig ausgebaut werden. Weil Sonne und Wind aber nicht kontinuierlich zur Verfügung stehen, soll ein Teil des Energiebedarfs zunächst mit modernen Gaskraftwerken gedeckt werden.

Der Bund habe bisher erst 200 Kilometer neuer Stromnetze gebaut, kritisierte Zeil. „Das ist viel zu wenig.“ Notwendig seien laut der Deutschen Energie-Agentur bis 2020 insgesamt 4500 Kilometer. In Bayern müssten zudem 50 000 Kilometer regionale Verteilnetze gebaut werden. Um schneller voranzukommen, müsse der Vorrang des Naturschutzes vor dem Netzausbau beendet werden. Notfalls müsse Bayern sich die die an die Bundesnetzagentur abgegebenen Kompetenzen wieder zurücknehmen. Zudem müssten die Bedingungen für Investitionen in Gaskraftwerke verbessert werden. Diese sind derzeit nicht wirtschaftlich, weil Ökoenergie bei der Einspeisung Vorrang hat. Zeil forderte auch, die Förderung von Solarstrom zu verringern. Weil die Versorgung auf Kante genäht sei, beziehe Deutschland schon jetzt Atomstrom aus dem umstrittenen tschechischen Atomkraftwerk Temelin, sagte Zeil. Er wies darauf hin, dass er von Anfang an gegen eine allzu schnelle Energiewende gewesen sei. Der Freistaat leiste aber seinen Beitrag. „Wir haben alles gemacht, was wir auf Landesebene gesetzgeberisch tun können.“

Unterdessen gaben SPD und Grüne auch der Staatsregierung eine Mitschuld am Stocken der Energiewende. Zeil wolle sich „mit einem billigen Manöver“ aus der Verantwortung stehlen, kritisierte der Grünen-Energieexperte Ludwig Hartmann. Auch SPD-Umweltpolitiker Ludwig Wörner spottete: „Wenn er mit dem Finger auf Berlin zeigt, dann zeigen drei Finger zurück nach Bayern.“