München
Aufstand der Abgekanzelten

16.04.2014 | Stand 02.12.2020, 22:48 Uhr

München/Berlin (DK) In der CSU rumort es. Gespannt warten führende Christsoziale auf den Abend der Europawahl am 25. Mai und vor allem auf die Zeit danach. Sollte die Partei kein herausragendes Ergebnis erzielen, dürfte es schnell unruhig werden für CSU-Chef Horst Seehofer. Nicht wenige in der Parteispitze würden lieber heute als morgen eine Führungsdebatte anzetteln.

Erste Anzeichen für die Unzufriedenheit in Teilen der Partei mit dem Vorsitzenden machen sich schon jetzt in der heißen Phase des Wahlkampfes bemerkbar. Es sind die Enttäuschten, die sich jetzt öffentlich zu Wort melden, Seehofer attackieren und ihm schlechten Stil vorwerfen. „Der Umgang des Parteivorsitzenden mit Führungskräften entspricht nicht dem, was man von einer Partei mit christlichen Grundsätzen erwarten darf“, kanzelte jetzt der CSU-Bundestagsabgeordnete Hartmut Koschyk seinen Parteichef Seehofer in einem Interview ab.

Koschyk hatte nach der Bundestagswahl sein Amt als Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesfinanzministerium abgeben müssen und hadert offenbar noch immer sehr damit: In einem dreiminütigem Telefongespräch sei er von Seehofer damals abgefertigt worden. „In keinem Wirtschaftsunternehmen, das etwas auf sich hält, wird heutzutage noch derart mit Führungspersonal umgegangen“, klagt Koschyk. Die CSU benötige jetzt dringend „eine Führungs- und Umgangskultur nach christlichen Maßstäben“.

Rückendeckung bekommt Koschyk von CSU-Vize Peter Ramsauer, der an den Verhaltenskodex erinnerte, den der Parteivorstand sich gegeben habe. „Den Worten Koschyks ist nichts hinzuzufügen“, erklärte er. Auch Ramsauer hatte sein Amt als Bundesverkehrsminister nach der Bundestagswahl räumen müssen und musste Seehofers Vertrautem Alexander Dobrindt weichen.

In der Partei gebe es keinen Politiker, den Seehofer noch nicht gedemütigt habe, außer sich selbst, kritisieren CSU-Bundestagsabgeordnete hinter vorgehaltener Hand. Die Sprunghaftigkeit des Chefs, manch ein Parteifreund spricht gar von Prinzipienlosigkeit und Skrupellosigkeit, stößt auf Widerstand. Ob Energiewende, Studiengebühren, Pkw-Maut oder doppelte Staatsangehörigkeit – Seehofer ändere beinahe täglich seine Positionen, weshalb ihm die Opposition den Spottnamen „Drehhofer“ verpasst hat.

Erst vor wenigen Wochen hatte Seehofer einen herben Dämpfer bei seinem Versuch erhalten, Minister Dobrindt als seinen Berliner Statthalter einzusetzen. Die CSU-Landesgruppe im Bundestag hatte demonstrativ ihrer Chefin Gerda Hasselfeldt den Rücken gestärkt, die in Koalitionsrunden für die CSU spricht. Ein Misstrauensvotum auch für Seehofer. Schließlich hatte der seinen Helfer Dobrindt animiert, den Führungsanspruch für die CSU-Abgeordneten in Berlin anzumelden.

Nach der Europawahl müsse Seehofer liefern, erwarten CSU-Bundestagsabgeordnete von ihm. Bisher sei vom Parteichef an Progammatischem und neuen Ideen herzlich wenig gekommen. Sollten die Christsozialen bei der Europawahl ähnlich schwach abschneiden wie zuletzt bei der Kommunalwahl, werde die Debatte über Seehofer und seinen Führungsstil erst richtig beginnen.