München
Auf Du und Du mit einem Mörder

Ex-Polizist schildert im Modellbau-Ausschuss seine Begegnungen mit dem Ehepaar Haderthauer

01.10.2015 | Stand 02.12.2020, 20:44 Uhr

Foto: DK

München (DK) Er brachte Dreifachmörder Roland S. hinter Gitter – und wurde doch sein einziger Vertrauter. Der Schwabacher Kriminalhauptkommissar ermittelte 1986 in einem Mordfall: Ein Kopf war gefunden worden. Hatten sich an Roland S. nach einem anderen Tötungsdelikt alle Ermittler die Zähne ausgebissen, so gelang es dem fränkischen Polizisten, den Verdächtigen zu einem Geständnis zu bewegen.

S. räumte gleich noch einen weiteren Mord ein, wurde verurteilt und in eine psychiatrische Einrichtung eingewiesen.

Drei Jahrzehnte später schilderte der mittlerweile pensionierte Kommissar am Donnerstag im Untersuchungsausschuss Modellbau des Landtags, wie er den Mörder schätzen lernte. „Ich kenne viele, die jemanden umgebracht haben. Aber ich kenne nur einen einzigen, der um seine Opfer geweint hat – und das ist S.“ Der Polizist blieb mit dem Täter in Kontakt, besuchte ihn im Bezirksklinikum Ansbach und lernte so auch den jungen Stationsarzt Hubert Haderthauer und die Modellbau-Therapie kennen.

Im Rahmen dieser Arbeitstherapie baute S. hochwertige Modellautos. Sie wurden von der Firma Sapor Modelltechnik, deren Gesellschafter Christine und Hubert Haderthauer nacheinander waren, für mehrere tausend Euro verkauft. Der Ausschuss prüft die Zustände in der Forensik, den Nutzen der Modellbau-Therapie, hinterfragt die Geschäfte der Firma Sapor und den Umgang von Christine Haderthauer als Ministerin mit parlamentarischen Anfragen.

Der Ex-Polizist berichtete dem Ausschuss, wie er den als gefährlich eingestuften Straftäter regelmäßig übers Wochenende zu sich nach Hause nahm, mit ihm Ausflüge machte, einmal sogar bis ins Elsass – ohne dass sich die Verantwortlichen daran gestört hätten. S. sei für niemanden gefährlich gewesen, ist der frühere Kommissar überzeugt. Der Freie-Wähler-Abgeordnete Peter Bauer sagte nach der Sitzung: „Wir können drei Kreuze machen, dass nichts passiert ist.“

Das Konstruieren der Automodelle war für S. dem Zeugen zufolge „sein Lebensinhalt“. Gleichwohl habe er dem Psychiatriepatienten damals gesagt: „Lass dich nicht ausnutzen.“ Der 70-Jährige ist überzeugt, dass Hubert Haderthauer bei den Modellbau-Geschäften „der Macher“ war und nicht seine Frau Christine. Die spätere Ministerin traf er nach eigenem Bekunden nur einmal, bei einem gemeinsamen Restaurantbesuch mit S.: „Der hat – da war ich erstaunt – zu ihr Christine gesagt, und sie hat Roland gesagt.“

Ausschussvize Florian Herrmann (CSU) sieht durch die Angaben des Zeugen „viele Vorwürfe der Opposition entkräftet“, schließlich habe er „die Rolle von Frau Haderthauer als völlig untergeordnet dargestellt“. Die Grünen-Abgeordnete Ulrike Gote widerspricht: Der Ex-Polizist habe keinen Überblick über die Modellbau-Geschäfte. „Für mich war bezeichnend, dass er schon von Anfang an den Eindruck hatte, jemand wird über den Tisch gezogen“, sagte Gote. Und der Ausschussvorsitzende Horst Arnold von der SPD betonte: „Klar ist, dass Frau Christine Haderthauer kein Fremdkörper im Gesamtgebilde war, wenn man auf Du und Du ist.“

Zu Beginn der Ausschusssitzung hatte der scheidende Münchner Generalstaatsanwalt Peter Frank das Gremium hinter verschlossenen Türen über den Stand der Ermittlungen informiert. Laut Arnold kündigte er an, das Ermittlungsverfahren werde bis Ende des Monats abgeschlossen. Dann wird sich entscheiden, ob gegen die Ex-Staatskanzleichefin und den Ingolstädter Landgerichtsarzt Anklage wegen Betrugs und Steuerhinterziehung erhoben wird.