Nürnberg
Mit der Maus auf Verbrecherjagd

Spürnasen für elektronische Beweismittel: die forensische IT-Einheit beim Polizeipräsidium Mittelfranken

16.10.2017 | Stand 02.12.2020, 17:21 Uhr
Sie knacken Handys Festplatten und Computer für die Polizei: Andreas Hanisch, Oliver Stiegler und Edin Karup (von rechts). −Foto: Pelke

Nürnberg (HK) Eine Spezialtruppe im Nürnberger Polizeipräsidium kümmert sich seit 20 Jahren um die Sicherung von elektronischen Spuren auf Computern, Mobiltelefonen und Datenträgern.

Die Arbeit der IT-Forensiker wird dabei anspruchsvoller und vielfältiger.

Räuber sind erfinderisch. Dementsprechend schnell haben sich Verbrecher auf Computer und Mobiltelefone gestürzt. Grund genug für die Kriminalpolizei in Mittelfranken, Ende der 90er-Jahre ein Sonderkommissariat ins Leben zu rufen. Oliver Stiegler ist von Anfang an bei den IT-Experten der Polizei dabei gewesen. "Wir haben mit vier Leuten angefangen", erinnert sich Oliver Stiegler an die Zeit klobiger Mobiltelefone und schwerer Festplatten zurück.

Heute ist der 52-jährige Computerexperte der Chef der Polizeitruppe mit der besonderen Spürnase für elektronische Beweismittel. Mittlerweile kümmern sich 19 Ermittler im Kommissariat 36 beim Polizeipräsidium Mittelfranken in Nürnberg um die digitale Kriminalitätsbekämpfung. Die Aufgaben haben sich kaum verändert. Noch immer würde die klassische Auswertung von Computern und Festplatten zur Hauptaufgabe gehören. Allerdings habe sich der Umfang gewaltig erhöht. Einerseits sei das Datenvolumen sprunghaft angestiegen. "Mit solchen Festplatten haben wir angefangen", sagt Stiegler und zeigt auf ein schweres Exemplar, das vor ihm auf dem Schreibtisch liegt. "Auf diesen alten Datenträgern war nur Platz für etwa zwei Gigabyte." Heute würde die tausendfache Datenmenge auf wesentlich kleinere Datenträger passen. Außerdem sei die Zahl der Geräte ins unermessliche gestiegen. Jeder verfüge heute über Computer und Festplatten. Hinzugekommen sei die Flut von Mobiltelefonen. Durch die Digitalisierung der Gesellschaft habe die Polizeiarbeit der Computerforensiker massiv zugenommen. Bei immer mehr Delikten werden Stiegler und seine Kollegen vom Kommissariat 36 heute als Experten hinzugezogen.

In den Anfangsjahren ermittelten häufig noch Hobbyexperten. Meistens seien das Polizisten gewesen, die sich in ihrer Freizeit viel mit Computern beschäftigten. Heute seien dagegen immer mehr Spezialisten wie Fachinformatiker an Bord des Teams. Die "Polizeibrille" dürften die Ermittler dabei nie ablegen. Die Anforderungen an den technischen Sachverstand der "Computerkommissare" seien jedoch deutlich gestiegen. Denn immer häufiger müssen die IT-Experten der Polizei komplizierte Verschlüsselungen knacken, um an Daten zu gelangen. Bei großen Wirtschaftsstrafverfahren werden riesige Datenmengen durchforstet. Bei Einbrechern schauen sie sich die Navigationsgeräte an, um den Kollegen schlagende Beweise liefern zu können. Bei anderen Tätern können sich durch die mobile Kommunikation am Tatort entscheidende Hinweise ergeben. Selbstverständlich können Täter auch durch Kurznachrichten oder Chatverkehr überführt werden.

Wenn es um Kinderpornografie geht, ist die Arbeit für die IT-Experten der Polizei besonders belastend. "Am Anfang ist das für mich eine echt harte Nuss gewesen", erinnert sich Andreas Hanisch an die ersten Fälle in diesem widerwärtigen Milieu zurück. In bestimmten Momenten habe der Familienvater lernen müssen, den Kopf abzuschalten. "Das ist wirklich keine schöne Aufgabe. Aber sie muss gemacht werden, um die Täter fassen zu können", sagt er.

Mit Handschellen und Polizeipistole ist die Computertruppe nicht unterwegs. Das K 36 versteht sich wie die Spurensicherung als Serviceeinheit für die Ermittlungsgruppen von der Drogenbekämpfung bis zum Staatsschutz. Bei der Auswertung des Anschlages auf das Musikfestival in Ansbach im letzten Jahr haben die Experten an vorderster Front geholfen, das angefallene Datenvolumen auszuwerten. Mittlerweile kümmert sich das K 36 auch um die Aufbereitung von Videoaufnahmen zur Beweisführung.

Aufgrund dieser Aufgabenfülle und der weiter zu erwartenden Digitalisierung aller Lebensbereiche wird die Bedeutung der Arbeit der IT-Experten in den nächsten 20 Jahren noch zunehmen. Dafür wird wohl auch die Personalstärke weiter stetig erhöht werden müssen. Denn so einfach wie in einem besonders kuriosen Fall, als ein Betrüger einen Dateiordner auf seinem Rechner doch tatsächlich unter dem unzweideutigen Namen "Betrug" anlegte, machen es die Bösewichter den Spezialisten in den nächsten 20 Jahren sicher nicht mehr.
 

IT-EXPERTEN BEI DER POLIZEI

Gründung: Im Jahr 1997 wurde eine forensische IT-Einheit beim Polizeipräsidium Mittelfranken in Nürnberg gegründet. Anfänglich arbeiteten vier Leute im Team. Heute besteht das Kommissariat 36 aus 19 Computerermittlern.

 

Aufgaben: Neben der klassischen Auswertung von Computern und Festplatten kümmert sich das Kâ??36 auch um Mobilfunkdaten und Videomaterial zur Beweisführung. Neben der gewachsenen Datenmenge müssen die Ermittler heute in der Lage sein, mit Verschlüsselungstechnologien umzugehen. | npe