Landshut
Giftstoff im Trinkwasser

Bei der jüngsten Revision im Kernkraftwerk Isar 2 gelangte ätzendes Hydrazin ins betriebsinterne Versorgungsnetz

06.08.2012 | Stand 03.12.2020, 1:11 Uhr
Dampfmacher: Das Atomkraftwerk Isar 2 bei Landshut ist seit 27. Juli wieder am Netz. Während der Revision in den Wochen zuvor war hochgiftiges Hydrazin ins interne Trinkwassernetz gelangt. −Foto: Hagenmaier

Landshut (DK) Im Atomkraftwerk Isar 2 bei Landshut ist es während einer kürzlich abgeschlossenen Revision – von der Öffentlichkeit offenbar unbemerkt – zu einem Zwischenfall mit einer ätzenden Chemikalie gekommen. Wie unsere Zeitung erfuhr, war hochgiftiges Hydrazin ins Trinkwassernetz auf dem Betriebsgelände gelangt.

Obwohl es rund 50 Stunden dauerte, bis der Rückstau bemerkt wurde, soll keiner der über 1000 dort beschäftigten Mitarbeiter gesundheitlich beeinträchtigt worden sein. Das räumte der Betreiber, die Eon-Kernkraft GmbH, gestern Nachmittag auf Anfrage ein.

Der Vorfall hatte sich bereits am 14. Juli ereignet. Eine Woche zuvor war die Anlage vom Netz gegangen, um die Brennelemente zu wechseln und die jährliche Revision durchzuführen. Ursache des Gifteintrags war ein Ventil, das nicht geschlossen worden war. Deshalb gelangte mit Hydrazin versetztes Wasser ins Trinkwassernetz des Unternehmens. „Zwei Entnahmestellen waren betroffen: das Kasino und die Pförtnerei“, bestätigte Eon-Sprecherin Petra Uhlmann. Ins öffentliche Netz sei nichts gelangt. Ein Mitarbeiter war zwei Tage später auf die Gefahr aufmerksam geworden, als er den stechenden Geruch der Chemikalie bemerkte. „Wir haben sofort die Betriebsärzte informiert. Es hat aber niemand über Unwohlsein oder andere Folgen geklagt. Die Zahl der Beschäftigten, die hätten betroffen sein können, war ohnehin gering, da es übers Wochenende passierte. Wir haben allen eine freiwillige Blutuntersuchung angeboten“, sagte die Eon-Sprecherin. „Es haben aber nur wenige Gebrauch davon gemacht.“

Messungen ergaben Konzentrationen zwischen 0,00005 und 0,11 Gramm Hydrazin pro Liter Wasser. „Diese niedrigen Werte schließen kurz-, mittel- oder langfristige Gesundheitsschäden aus“, erklärte Uhlmann. „Wir sind intern offen damit umgegangen und haben Aushänge gemacht und die Mitarbeiter informiert.“ Da der Vorfall nichts mit der Kernenergie zu tun habe, sei er bei der Aufsichtsbehörde nicht meldepflichtig.

In der Zwischenzeit sind jedoch Berufsgenossenschaft, Gewerbeaufsichtsamt und Gesundheitsamt informiert, wie die Landshuter Polizei gestern bestätigte. Die Ermittler hatten selber erst vor wenigen Tagen am Rande einer routinemäßigen Besprechung von der Sache erfahren, wie Patrick Baumgartner von der Inspektion bestätigte. Vom Landshuter Gesundheitsamt war keine Stellungnahme zu bekommen.

Hydrazin ist eine entzündliche, farblose Flüssigkeit mit stechendem Geruch. Es gilt als sehr giftig und kann sowohl über den Mund als auch über Haut und Schleimhäute in den Körper gelangen, wirkt stark ätzend und kann zu schweren Organschäden führen. Im Kernkraftwerk Isar 2 werden jährlich rund 16 Tonnen eingesetzt, um Korrosion im Wasser-Dampf-Kreislauf vorzubeugen.