Kropfmühl
200 Meter unter Tage

09.08.2017 | Stand 02.12.2020, 17:40 Uhr

Kropfmühl (DK) Im Landkreis Passau können Besucher das einzige Graphitbergwerk in Deutschland erkunden. Mit einem Bergarbeiter, Kittel und Grubenhelm geht es Hunderte Stufen in die Tiefe.

Mit jeder Stufe wird die Luft feuchter, von den moosbewachsenen Granitfelsen tropft es zunehmend. Auf dem Boden bilden sich Pfützen, in denen sich der Schein der Neonröhren spiegelt. Nebel wabert durch den Bergschacht. Die Gespräche verstummen, nur noch ein Keuchen ist zu hören. Eine Stufe runter, dann noch eine Stufe. 29 Meter unter der Erdoberfläche bleibt Erich Lang endlich stehen. In einer Höhle wartet er auf die Besucher, die sich mit grauem Kittel und Grubenhelm in die Tiefe des Graphitbergwerks Kropfmühl (Landkreis Passau) tasten.

"Ich bin schon wieder viel zu schnell", sagt der 73-Jährige und lacht. Die goldfarbenen Knöpfe seiner Bergmannuniform glänzen im Schein seiner Kopflampe, weiße Haarspitzen lugen unter seinem Helm hervor. Welche Überwindung manchen Besucher der Abstieg kostet, vergisst der Bergmann in Rente immer wieder. Was sind schon 29 Meter unter der Erdoberfläche, wenn man sein Leben lang 200 Meter in der Tiefe gearbeitet hat?

Der Graphitabbau ist nur was für harte Kerle, im Osten von Niederbayern schuften noch zwölf Männer im Graphitbergwerk - sie sind die Einzigen deutschlandweit. Am Anfang arbeitet jeder Bergmann als Schlepper, erzählt Erich Lang. Er muss dann die mit Graphit voll geladenen Wagen zum Förderband schieben. Durch stockdunkle Gänge, die gerade mal einen halben Meter breit sind und eineinhalb Meter hoch. "Anfangs war das schon ein mulmiges Gefühl", gibt der Bergmann zu. Platzangst kroch in ihm hoch. "Die meisten halten's nicht aus, sie brechen nach ein, zwei Tagen ab." Aber er blieb eine Woche, einen Monat, schließlich bis zur Rente.

Stufe für Stufe geht es weiter bergab, dem 73-Jährigen immer hinterher. "Hier müssen wir uns bücken", warnt er die Gruppe. Ein Granitfelsen ragt in die Treppe. Plötzlich ist der drückende Helm auf dem Kopf Gold wert. Früher haben die Bergarbeiter nur Zipfelmützen auf Stoff getragen, "so wie die sieben Zwerge bei Schneewittchen", sagt Lang, der auch beim Treppensteigen noch locker plaudert.

45 Meter unter der Erdoberfläche: Erich Lang dreht sich nach Emma und Isabell um, zwei blonde Mädchen, die ihm bis zum Bauchnabel ragen. "Habt ihr eigentlich Angst vor dem Berggeist" Sie schütteln den Kopf, während sich ihr kleiner Bruder an das Bein seiner Mutter klammert. Der Bergmann lacht, legt Emmas Zeigefinger auf einen silberfarbenen Knopf und knipst die Neonröhren aus. Im Bergschacht ist es so dunkel, dass man die Hand nicht vor Augen sieht. "Jetzt musst du drücken", sagt er zu Emma. Und im selben Moment erschüttert ein Donnern die verlassenen Stollen.

So kracht es, wenn die Bergmänner am Ende ihres Arbeitstages sprengen - nach acht Stunden Bücken im Stollen, ohne Tageslicht, bei etwa zehn Grad. "Das Gefühl am Ende der Schicht ist unbeschreiblich", sagt Lang. "Wenn die Sonne dann scheint, ist die Welt wieder in Ordnung." Einige Besucher nicken nur. Schon nach einer Stunde Führung ist der Kittel klamm vor Feuchtigkeit, die Schuhe von einer Schicht Staub überzogen. Und bis zur Sonne sind es noch 222 Stufen. ‹Œdpa