Kreuth
Aigner und ihr Trassenpuzzle

Nach Ansicht der Wirtschaftsministerin ist in Bayern wohl höchstens eine neue Stromleitung nötig

22.01.2015 | Stand 02.12.2020, 21:44 Uhr

 

Kreuth (DK) Hat sich die Wirtschaftsministerin schon festgelegt? In einem Interview äußert sich Ilse Aigner (CSU) erstaunlich klar zum Bedarf neuer Stromtrassen in Bayern. Und das, während ihr „ergebnisoffener“ Energiedialog noch läuft. Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) ist nicht erfreut.

Gab es Ärger? Ilse Aigner steht im Empfang des Bildungszentrums in Wildbad Kreuth. Im Hintergrund das Franz-Josef-Strauß-Porträt. Nein, sagt die Wirtschaftsministerin. Es habe keinen Streit mit Seehofer gegeben. Kurz darauf kommt der Ministerpräsident selbst aus dem Sitzungssaal. Abreisebereit. Er habe selten eine so harmonische Klausur erlebt, sagt er. „Vor und hinter den Kulissen.“

Ob das stimmt, darüber gab es gestern Nachmittag unterschiedliche Versionen. Tatsächlich war die Klausur der CSU-Fraktion ziemlich ruhig verlaufen – zumindest bis Mittwochabend. Da wurde ein Interview Aigners mit dem „Münchner Merkur“ öffentlich, in dem sie sich auch über die geplanten Stromtrassen durch Bayern geäußert hatte. „Ich bin mir sicher, dass wir nicht zwei Leitungen brauchen werden“, sagte die Ministerin. Das wurde so verstanden, dass zumindest eine nötig ist. Seehofer hatte offenbar Gesprächsbedarf. Noch am selben Abend saßen die beiden zusammen.

Dass die Äußerungen den CSU-Chef zumindest nicht gefreut haben, dürfte feststehen. Er sieht die Trassen äußerst kritisch. Seit Monaten führt Aigner mit Bürgerinitiativen und Verbänden einen Energiedialog. Ziel ist die Befriedung des Streits um die Leitungen, gegen die es bei den betroffenen Bürgern heftigen Widerstand gibt. Der sogenannte „Südlink“ soll nach Unterfranken führen. Die Passage „Süd-Ost“ soll unter anderem durchs Altmühltal verlaufen. Ergebnisoffen sollte der Dialog sein, Schlüsse wollte Aigner eigentlich erst im Februar ziehen. Am Ende soll eine bayerische Position stehen, mit der man in die Verhandlungen im Bund gehen kann. Dort werden die wesentlichen energiepolitischen Entscheidungen getroffen. Und Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) befürwortet den Trassenbau.

CSU-Fraktionschef Thomas Kreuzer widerspricht Aigner schon gestern Morgen. „Wir werden über die Energiepolitik dann sprechen, wenn der Energiedialog zu Ende ist“, sagt er. Auch die Ministerin selbst relativiert. „Es gilt immer noch, dass wir die Notwendigkeit von Trassen generell überprüfen und dass wir meinen, dass das, was vorgeschlagen ist, zu viel ist“, sagt sie. Der Dialog werde zu Ende geführt.

In der CSU wird angenommen, dass Aigner tatsächlich davon ausgeht, dass am Ende eine Trasse notwendig sein wird – vor allem, um die großen Mengen an Windstrom aus dem Norden Deutschlands abzutransportieren. Offenbar will die Ministerin deshalb den „Südlink“ akzeptieren, die Süd-Ost-Passage aber ablehnen.

Grundsätzlich könnte damit am Ende wohl auch Seehofer leben. Er hält es aber wohl für falsch, sich schon jetzt offiziell mit dem Bau einer Trasse abzufinden. Seehofer würde sich die Leitung offenbar lieber in Berlin abverhandeln lassen. Im Gegenzug könnte dann dafür ein Herzenswunsch der CSU in Erfüllung gehen: der Betrieb öffentlich subventionierter Gaskraftwerke in Bayern.

Seit Monaten weist Seehofer darauf hin, dass die Trassen nicht das größte Problem für Bayerns Stromversorgung seien. Man müsse sich als Erstes Gedanken machen, woher nach dem Ende der Atomkraft große Mengen an ständig verfügbaren Kraftwerken herkommen sollen. Schließlich stehen Wind und Sonne nicht immer zur Verfügung. Seehofer und Aigner wünschen sich dafür moderne Gaskraftwerke. Doch die sind im derzeitigen Strommarkt nicht rentabel. Bestes Beispiel ist das eigentlich hochmoderne Kraftwerk Irsching bei Vohburg, das derzeit nur als Notreserve am Netz ist. Problem für die CSU: Wirtschaftsminister Gabriel ist gegen neue Subventionen für Kraftwerke. Seehofer und Aigner brauchen also dringend Verhandlungsmasse.

Hinter den Kulissen dürfte derzeit in der CSU viel über den Energiedialog gesprochen werden. Am 2. Februar findet die letzte Sitzung statt. Danach will Aigner ihr Resumee im Kabinett präsentieren. Seehofer dürfte an den Ergebnissen sehr interessiert sein.

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