Kampagne soll gegen riskantes Handy-Lesen am Steuer helfen

03.09.2015 | Stand 02.12.2020, 20:51 Uhr

München (dpa) Eine WhatsApp-Nachricht oder eine E-Mail können fatale Folgen haben - wenn man sie am Steuer liest. Davor warnen Unfallforscher. Ob neue Technik helfen kann, ist umstritten.

Eigentlich ist es verboten. Trotzdem nutzen viele Autofahrer ihr Smartphone am Steuer. Doch ob jemand eine Nachricht liest oder etwas bei Facebook postet, lässt sich nur schwer kontrollieren. "Gegen die Nutzung von Smartphones am Steuer ist die Polizei machtlos", berichtet Siegfried Brockmann von der Unfallforschung der Versicherer.

Die Polizei dürfe zudem keine Handys beschlagnahmen, nur weil sie etwa auf dem Schoß des Autofahrers liegen. Dabei sei Ablenkung eine der häufigsten Unfallursachen, erklärt der Unfallforscher. Dies habe eine Auswertung der Unfalldatenbank der Versicherer ergeben. Die Unfallforscher hatten 118 Unfälle untersucht, bei denen Autos von der Landstraße abgekommen waren. "Ablenkung war nach gesundheitlichen Problemen der Fahrers die zweithäufigste Ursache", erklärt Brockmann am Donnerstag in München.

Zur Smartphone-Nutzung am Steuer haben der Autoclub Mobil in Deutschland und der TÜV Süd jetzt eine Kampagne gestartet. Das Motto: "Be Smart! Hände ans Steuer - Augen auf die Straße." Sie soll darauf aufmerksam machen, wie gefährlich es sein kann, wenn man auf sein Smartphone statt auf die Straße blickt.

Neben Aufklärungsarbeit in Schulen und Fahrschulen setzt die Kampagne dabei auch auf technische Neuerungen: WhatsApp-Nachrichten und SMS kann man sich vorlesen lassen, neue Apps deaktivieren Online-Funktionen wie Twitter während der Fahrt. Auch beim Telefonieren mit Freisprechanlagen muss man nicht mehr zum Handy greifen.

Auch der Auto Club Europa (ACE) sieht die technischen Neuerungen als wichtigen Ansatzpunkt: "Autos können mittlerweile erkennen, ob man sich gerade in einer brenzligen Situation, wie zum Beispiel an einer Kreuzung, befindet", berichtet ACE-Sprecher Constantin Hack. Und in diesen Situationen könnten Nachrichten einfach verzögert zugestellt werden. "Ich bin überzeugt, dass viele Autofahrer bereit sind, ihre Nachrichten auch später zu lesen. Wenn dagegen das Telefon klingelt, fällt es vielen schwer, nicht dranzugehen. Aber dafür gibt es ja beispielsweise Freisprechanlagen."

Unfallforscher sind jedoch nicht so optimistisch: Es mache keinen großen Unterschied, ob man nun mit einer Freisprechanlage telefoniere oder sich WhatsApp-Nachrichten vorlesen lasse, findet Unfallforscher Brockmann. "Entscheidend ist dagegen die mentale Ablenkung."

Das hat auch eine Studie des Allianz Zentrums für Technik herausgefunden: Ablenkung sei eine wichtige - und vor allem vermeidbare - Unfallursache: "Jeder zehnte Verkehrsunfall ist auf eine Ablenkung des Fahrers zurückzuführen", berichtet Allianz-Unfallforscher Jörg Kubitzki.

Seine repräsentative Quoten-Stichprobe von 2011, bei der 600 Personen befragt wurden, habe zudem ergeben, dass 40 Prozent aller Fahrer ihr Handy bei der Autofahrt nutzen. Ihn ärgert, dass in Deutschland - anders als beispielsweise in Österreich - Ablenkung als Unfallursache nicht amtlich erfasst wird.

Auch der Deutsche Verkehrsgerichtstag hat 2015 die Politik aufgefordert, eine aussagekräftige Datenbasis zu schaffen, die Unfälle als Folge einer Ablenkung durch Kommunikationsmittel aufgreift. "Ablenkung durch Smartphone-Nutzung ist ein zentrales Thema der Verkehrssicherheitsforschung", findet der Unfallforscher der Allianz. "Und es ist ein großer Hebel, um die Verkehrssicherheit in Deutschland zu erhöhen!"