Ingolstadt
Der Äthermörder und der Fall Rupp

18.03.2011 | Stand 03.12.2020, 3:02 Uhr

Die Dobermänner der Familie Rupp sollen vor zehn Jahren das zerstückelte Mordopfer gefressen haben. Das glaubte jedenfalls die Justiz - in Wirklichkeit ist dieses Schauermärchen aber wohl vom als Äthermörder bekannt gewordenen Alfred P. erfunden worden - Foto: Rein

Ingolstadt (hri) Kein Kriminalfall in der Region hat so viel Aufmerksamkeit erfahren, wie der gewaltsame Tod des Bauern Rudolf Rupp aus Neuburg-Heinrichsheim. Nun gibt es Hinweise, dass der als Äthermörder bekannte Alfred P. mitgemischt haben soll – als Ideengeber in Sachen Leichenbeseitigung.

Rechtlich ist das Verfahren um das Verschwinden Rupps mit dem jüngsten Urteil am Landgericht Landshut weitgehend abgeschlossen. Die Justiz geht, wie berichtet, trotz der Freisprüche davon aus, dass die Ehefrau des Landwirts, seine beiden Töchter und der frühere Verlobte einer der jungen Frauen – in welcher Zusammensetzung auch immer – ihre Finger im Spiel hatten. Weshalb die Familie den Behörden aber die schauerliche Geschichte von der Zerstückelung der Leiche mit anschließender Verfütterung an die Hunde aufgetischt hatte, obwohl dem nachweislich nicht so war, konnte niemand verstehen. Dieses Schauermärchen ist wohl in einem kranken Gehirn entstanden – dem des als Äthermörder bekannten Alfred P., wie aus dem DONAUKURIER vorliegenden Informationen hervorgeht.

Matthias E. war zur Tatzeit der Verlobte der älteren Rupp-Tochter gewesen. Detailreich hatte er der Polizei in einem später widerrufenen Geständnis geschildert, wie er den damals 52-jährigen Bauern im Oktober 2001 erschlug, die Leiche später zerlegte, ausweidete und den Hunden am Hof zum Fraß vorwarf. Belege dafür hatte die Polizei nie gefunden, weder den kleinsten Blutspritzer noch einen Knochensplitter oder andere Beweise, die einen solche grausame Version stützen würden. Das verwundert nicht, denn die Leiche Rupps wurde bekanntlich am 10. März 2009 in der Donau entdeckt – nicht zerteilt, sondern in einem Stück in seinem Mercedes in der Donau versenkt.

Was bringt einen Menschen dazu, so etwas Schauerliches zu erfinden und sich damit selber zu belasten? Diese Frage war während der jüngsten Neuauflage des Verfahrens gegen Rupps Ehefrau, seine Töchter und den Ex-Verlobten am Landshuter Landgericht immer wieder gestellt worden. Und bis zuletzt unbeantwortet geblieben. Woher stammen all die grausamen Details? "Von mir", sagt der Äthermörder Alfred P., ein unter schwerer seelischer Abartigkeit leidender Mann, wie ein Gutachter einmal feststellte: "Er ein Psychopath mit sadistischen Neigungen."

Im Oktober 1967 hatte P. "aus reiner Mordlust" eine 16-Jährige bei Manching mit Äther betäubt und stranguliert. Pfeifend ging er vom Tatort weg und ließ die Tote an einem Baum hängen. Nach seiner Verurteilung hatte der Mörder im Gefängnis geheiratet, war auf sein Betreiben nach Nordrhein-Westfalen verlegt worden und durch für ihn glückliche Umstände 1991 freigekommen – obwohl seine Abartigkeit schon damals feststand. Das bestätigte sich 2004 auf traurige Weise, als er erneut vor Gericht stand: Er hatte seine zwei Töchter und seinen Sohn auf übelste Weise immer wieder vergewaltigt und sitzt seither wieder hinter Gittern.

Im damaligen Prozess am Landgericht Ingolstadt hatte P. Szenen hingelegt, wie sie die örtliche Justiz bisher nie erlebt hatte. Nachdem er auf der Fahrt zum Gericht trotz Hand- und Fußfesseln einmal ein Polizeiauto zerlegt hatte, warf er im Gericht schreiend und tobend mit Beleidigungen nur um sich, titulierte Richter und Staatsanwältin als Nazis und drohte einen Amoklauf an. Zuvor hatte er mit Kot verschmierte Briefe an die Justiz geschickt. Die Strafkammer musste ihn zeitweise von der Verhandlung ausschließen, um überhaupt voranzukommen.

"Als Rache" an dem Richter, der später auch für den ersten Rupp-Prozess zuständig war, so schreibt Alfred P. jetzt aus der Haft in einem dem DONAUKURIER vorliegenden Brief, habe er Matthias E. damals eingeredet, die Geschichte mit den Hunden aufzutischen. Die Männer hatten sich im Kaisheimer Gefängnis kennengelernt, wo beide in U-Haft saßen. Dort habe E. ihm auch den Mord an Rupp gestanden, sagt der Äthermörder. P. sollte deshalb auch in der Neuauflage des Prozesses in Landshut gehört werden, doch dazu kam es nicht. Staatsanwalt Ralph Reiter bestätigt diese Angaben: "P. war tatsächlich geladen, aber wir wollten einem so gefährlichen Mörder hier keine Plattform bieten. Am Ergebnis des Verfahrens hätte das ohnehin nichts geändert." Man habe deshalb auf seine Zeugenvernehmung verzichtet, obwohl sie durchaus im Sinn der Anklage gewesen wäre.

Der Äthermörder sitzt seit einigen Jahren in Straubing hinter Gittern, dort, wo die Schwerverbrecher hinkommen. Er gilt dem Vernehmen nach als äußerst unberechenbarer Häftling. Dem mittlerweile 64-Jährigen sind seit vorigem Herbst keinerlei persönliche Gegenstände in seiner Zelle erlaubt. Eine Stunde am Tag erhält er Hofgang oder darf die Zeit für Schreibarbeiten nutzen. P. bevorzugt offenbar Letzteres und überzieht die Justiz mit Beschwerden. Er spricht von "Folterhaft". Nach derzeitigem Sachstand wird er wohl nie wieder auf freien Fuß kommen. Während eines Prozesses war er einmal als "tickende Zeitbombe" und große Gefahr für die Allgemeinheit bezeichnet worden. "Er ist ein Teufel und ein Berufskrimineller, dem dringend das Handwerk gelegt werden muss", hatte eine Staatsanwältin festgestellt.