Ingolstadt
Mehr Jagdrevier als Fürstentum

02.06.2015 | Stand 02.12.2020, 21:14 Uhr

Als „Muster himmlischer Schönheit“ bezeichnete der Dichter August von Platen Auguste Amalie. - Foto: Katalog

Ingolstadt (DK) Was war das für ein Gerangel und Geschacher um Länder und Besitz. Als auf dem Wiener Kongress (18. September 1814 bis 9. Juni 1815) Vertreter europäischer Groß- und Kleinstaaten die Landkarte des Kontinents neu schrieben, wirkte sich dieses Ergebnis – als Nachwehen quasi – auch auf das kleine ehemalige Fürstbistum Eichstätt aus.

Denn in dem Geschiebe um Entschädigungen und Versorgungen von Siegern und Verlierern sollten Stadt und ein Teil des Hochstifts erneut zu Glanz und Ansehen kommen.

Als Fürstbistum hatte Eichstätt bereits 1802/03 aufgehört zu existieren – mit drastischen Einschnitten für die Bevölkerung. Land und Leute waren von der für sie existenziellen „Nahrungsquelle“ der fürstlichen Hofhaltung sowie der Stifte und Klöster beraubt, das jahrhundertealte wirtschaftliche und soziale Gefüge zusammengebrochen. Die Klagen ob der „trostlosen“ Situation und des „kümmerlichen Lebens“ an den neuen Herrscher, den König von Bayern, häuften sich. Zwar konnte die Stadt mit der Neueinteilung der Kreise in Bayern kurzzeitig wieder Hoffnung schöpfen, wurde Hauptstadt des Altmühl-, dann des Oberdonaukreises, doch 1817 verlor sie diese zentrale Funktion an Augsburg. Im gleichen Jahr kam es zu Hunger und einer Teuerung. Ein erneuter Tiefpunkt war erreicht.

Da kam die Nachricht, dass Eugène Beauharnais, der Stiefsohn Napoleons, ehemals Vizekönig von Italien und Schwiegersohn des bayerischen Königs, Eichstätt als künftige Residenzstadt eines noch zu schaffenden Fürstentums auserkoren hatte. Für die Eichstätter war dies wie ein Sechser im Lotto. Eugène und Frau Auguste Amalie aus dem Haus Wittelsbach sollten der Stadt wieder zu „Nahrung“, sprich Behörden, verhelfen.

Eugène war Sohn von Josephine, der ersten Frau Napoleons. Seinen Stiefvater verehrte er. Mit der von Napoleon eingefädelten Heirat Eugènes mit Auguste (1806) war dem Korsen der Aufstieg in den europäischen Hochadel gelungen. Nach den Niederlagen seines Stiefvaters war Eugène hin- und hergerissen zwischen Loyalität mit dem Verlierer und seinem weiteren Fortkommen in dem inzwischen zu den Siegern gewechselten Bayern. Letztlich war es an dem unter Napoleon groß gewordenen Königreich, den Schwiegersohn samt Familie zu versorgen.

Dass sich Eugène Eichstätt aussuchte, dürfte, wie es der Historiker Leo Hintermayr ausdrückt, dem Waldreichtum der Gegend und der Jagdleidenschaft des Franzosen geschuldet gewesen sein. In seinem neuen Fürstentum, für das er den Titel Herzog von Leuchtenberg (von einem ausgestorbenen oberpfälzischen Adelsgeschlecht) erhielt, sah er mehr ein „größeres Jagdrevier“ denn ein Territorium. Auch seine Auguste war nicht begeistert. „Ich konnte in der ersten Zeit nichts von Eichstätt hören, ohne Tränen in die Augen zu bekommen“, schrieb sie in ihr Tagebuch.

Ganz anders die Erwartung in Eichstätt: Als gottgesandten Retter verherrlichten die Eichstätter ihren neuen Fürsten. Doch die Hofhaltung des Fürsten hielt sich in Grenzen, die Aufenthalte der Familie währten nur kurze Zeit. Bevorzugt waren Schloss Ismaning oder das neu gebaute Palais Leuchtenberg in München.

Sicherlich: Spontan verteilte Wohltaten und die Unterstützung der einen oder anderen Institution schufen kurzfristig Abhilfe. Aber langfristig „verschlechterte sich die ohnehin prekäre wirtschaftliche Situation Eichstätts“ (Hintermayr). Mit dem frühen Tod Eugènes (1824) konzentrierte sich die Witwe auf die standesgemäße Verheiratung ihrer Kinder. Sohn Herzog August gab 1832/33 bereits eine Reihe der Liegenschaften und Herrschaftsrechte an den Staat zurück, 1854 hörte das Fürstentum endgültig auf zu bestehen. Eichstätt stand wieder ähnlich da wie 1806 oder 1817. „Das Elend hat die höchste Stufe erreicht“, hieß es 1835 in einem Bittgesuch an den König.

 

An der Seminar- und Hofgartenbibliothek der Uni Eichstätt, Hofgarten 1, Eichstätt, gibt es bis 31. Oktober die Ausstellung „Eugène Beauharnais“.

 

Nächste Woche geht es um den Wirt Lorenz Alois Gerhauser, der Aichach in den Napoleonischen Kriegen gerettet hat.