Ingolstadt
Und den Bischof zahlt der Staat

19.11.2010 | Stand 03.12.2020, 3:26 Uhr

"Wir übernehmen staatliche Aufgaben": Prälat Lorenz Wolf, der Leiter des katholischen Büros in Bayern. - Fotos: Ingenthron

Ingolstadt (DK) Die Kirchen sind schwer unter Beschuss – vor allem die katholische. Kaum hat sich die öffentliche Empörung über die Missbrauchsfälle etwas gelegt, bricht eine Debatte um die kirchlichen Finanzen los. Der Vorwurf: Der Steuerzahler alimentiert die Kirchen.

Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass die katholische Deutsche Bischofskonferenz bereits eine Arbeitsgruppe eingerichtet hat, die Kirchenleuten Argumente für die sich anbahnende öffentliche Auseinandersetzung liefern soll.

Das ist auch bitter nötig: Für Außenstehende ist die finanzielle Verknüpfung von Staat und Kirche kaum zu durchschauen. Das beginnt bereits bei den verschiedenen Zahlungen. "Dabei ist es wichtig zwischen den Geldern zu unterscheiden, die die Kirche dafür erhält, dass sie eine Leistung bietet", sagt der Leiter des Katholischen Büros in Bayern, Prälat Lorenz Wolf, "und den so genannten Dotationen". Letztere, zu denen unter anderem die Gehälter der Bischöfe gehören, gingen auf alte Verträge zwischen Staat und Kirche zurück und hätten ihren Ursprung in der bedingungslosen Enteignung aller Güter der katholischen Kirche während der Säkularisation Anfang des 19. Jahrhunderts, sagt Wolf im Redaktionsgespräch mit dem DONAUKURIER.

Und hier liegt für Kirchenvertreter einer der entscheidenden Grundfehler der Argumentation Frerks – er sieht diesen Unterschied nicht. Den größten Batzen machen in seiner Aufstellung die staatlichen Zuschüsse für Kindergärten- und Kindertageseinrichtungen aus: 3,9 Milliarden Euro zahlt die öffentliche Hand dafür. Das stellen auch Kirchenvertreter nicht in Abrede. Aber: "Der Staat bezahlt die Kirche für die Übernahme von Aufgaben, die eigentlich seine ureigenen Aufgaben sind", sagt Wolf: So habe sich der Staat gesetzlich verpflichtet, für eine ausreichende Anzahl an Kinderbetreuungsplätzen zu sorgen – springe aber letztlich nur ein, wenn sich kein anderer Träger finde. Im Übrigen seien in diesem Bereich ja nicht nur die Kirchen aktiv: Auch Sozialverbände wie das Rote Kreuz oder die Arbeiterwohlfahrt betrieben Kindergärten. Und: "Für alle gelten die gleichen Spielregeln."

Auch wenn der Staat die Kosten für die Kindergärten aus seiner Sicht zu 100 Prozent bezuschusst, bleibt die Kirche auf einem Teil der Kosten sitzen: So ist es üblich, dass die Kirchenverwaltung der jeweiligen Pfarrei die Verwaltung übernimmt, dass die Pfarrsekretärin nebenbei auch den Schriftverkehr für den Kindergarten abwickelt, dass die Pfarrei und die Diözese für die Weiterbildung des Personals und für die Anschaffung von Spielgeräten aufkommen. "Das ist ein Grund dafür, warum sich kirchliche Ausgaben nicht genau zuordnen lassen", sagt der Finanzdirektor der Diözese Eichstätt, Domdekan Willibald Harrer: "Keine Pfarrsekretärin schreibt auf, wieviele Stunden sie im Jahr für den Kindergarten arbeitet." Ähnlich sei das im Übrigen bei kirchlichen Schulen: Die staatlichen Leistungen reichen für den Betrieb nicht aus. Allein das Bistum Eichstätt gab 2009 17 Millionen Euro für Bildung aus. Ein beträchtlicher Teil davon sei ein Zuschuss für den Betrieb der kirchlichen Schulen wie des Gnadenthal-Gymnasiums in Ingolstadt mit rund 850 Schülerinnen und Schülern. Wie der Generalvikar des Bistums Eichstätt, Isidor Vollnhals, in diesen Zusammenhang anmerkt, dürften übrigens weder in Kindergärten noch im schulischen Bereich Kinder aus katholischen Familien bevorzugt werden: Auf die Einhaltung dieser Regelungen hätten die staatlichen Kontrolleure ein besonderes Auge.

Angesichts des Defizits, das die Kirche zu übernehmen hat, stellt sich die Frage, warum sie das tut. Prälat Wolf: "Karitative Aufgaben, und dazu gehört neben der Kranken- und Altenpflege auch die Kinderbetreuung und die Bildung, sind Bestandteil der urchristlichen Sendung." Deshalb fühle sich die Kirche verpflichtet, sich in diesen Bereichen zu engagieren.

Wesentlich umstrittener als die Zahlungen für Kindergärten, Schulen und soziale Dienste sind die so genannten Dotationen. Darunter fallen unter anderem die Gehälter von Bischöfen und Domkapitularen. In der Öffentlichkeit hat sich inzwischen festgesetzt, dass die Spitzenleute der 27 deutschen Bistümer vom Staat finanziert werden. Die Ursache für die Zahlungen liegt inzwischen fast 200 Jahre zurück: 1803 wurden im Rahmen der Säkularisation die Kirchen enteignet. Kirchen, Klöster, Ländereien, Pfarrhöfe, Bibliotheken und Kunstschätze fielen über Nacht an den Staat. "Damit wurde der Kirche die finanzielle Existenzgrundlage entzogen", so Wolf. Als die Machthaber wenige Jahre darauf feststellten, dass mit der Kirche eine Säule innerhalb der Gesellschaft weggebrochen war, stellte sich schnell heraus, dass eine Wiederherstellung der alten Verhältnisse nicht möglich war. Ein Teil der alten Kirchengüter war inzwischen verkauft worden, zudem wollte man vermeiden dass nun die Adeligen, die die Kirchengüter erhalten hatten, ihrerseits enteignet würden.

Weil die Staatsgewalt aber dennoch Interesse an einer funktionierenden Kirche hatte, verpflichtete man sich, einige Grundfunktionen der Kirche finanziell abzusichern und beispielsweise für die Gehälter der Diözesanleitung aufzukommen. Diese Verträge überdauerten die Monarchie und wurden später in der Weimarer Verfassung und im Grundgesetz erneut festgelegt. Der Staat habe sich zwar verpflichtet, einen Fonds einzurichten, aus dem die Gehaltszahlungen gespeist würden. Das sei aber bislang nicht geschehen, stellt Prälat Wolf fest. Um zu ergänzen: "Die Kirche ist hier jederzeit zu Verhandlungen bereit."

Wichtigste Einnahmequelle der Kirchen bleibt allerdings die Kirchensteuer. Allein die Diözese Eichstätt nimmt hier über 79 Millionen Euro pro Jahr ein, das entspricht rund 80 Prozent aller Einnahmen.