Ingolstadt
Therapeut in der Tasche

Telemedizin-Kongress stellt Projekte aus ganz Bayern vor – Etwa die Sprachbehandlung per Smartphone

06.03.2013 | Stand 03.12.2020, 0:25 Uhr

Viele medizinische Innovationen wurden beim ersten Bayerischen Tag der Telemedizin vorgestellt. Auch der bayerische Gesundheitsminister Marcel Huber (Dritter von links) machte sich davon ein Bild: Er sah sich einen Hubschrauber des ADAC an, der die Daten der Patienten an die Krankenhäuser schicken kann. - Foto: Roch

Ingolstadt (DK) Über 260 Ärzte, Selbsthilfegruppen und Medizininteressierte haben sich gestern im Klinikum Ingolstadt versammelt, um sich über bayerische Telemedizin-Projekte auszutauschen. Gesundheitsminister Marcel Huber betonte die zunehmende Wichtigkeit der Telemedizin für Bayern.


„Die Telemedizin ist ein Bereich der mir besonders am Herzen liegt“, eröffnete der bayerische Gesundheitsminister Marcel Huber (CSU) den ersten Bayerischen Tag der Telemedizin. Er erklärte, dass es immer schwieriger werde, die beste medizinische Versorgung flächendeckend zu gewährleisten. Die Telemedizin könne bei dieser Problematik einen wichtigen Beitrag leisten. „In Bayern hat man die Potenziale schon sehr früh erkannt: 1995 haben wir das erste telemedizinische Projekt auf den Weg gebracht – aber damals konnten wir noch nicht ahnen, was bald alles möglich sein wird“, berichtete der Minister.

Möglich ist mittlerweile eine ganze Menge. Sieben Projekte aus verschiedenen bayerischen Regierungsbezirken werden an diesem Tag per Liveschaltung vorgestellt. Eines der Konzepte stammt aus Bayreuth: Die Teletherapie für Sprachstörungen von zu Hause aus. Das Konzept ist einfach. Der Patient – bei der aktuellen Studie ist das ein Parkinsonkranker – sitzt daheim vor einem Laptop und spricht mit seinem Arzt, der sich ebenfalls vor einem Bildschirm befindet. Gemeinsam gehen sie verschiedene Fingerübungen durch, der Kranke muss etwas schreiben, und sprechen trainieren. Bettina Hoffman ist die leitende Sprachtherapeutin des Projekts. „Es ist erstaunlich, wie gut alles funktioniert“, sagt sie. Obwohl es durchgehend ältere Leute sind, die an der Studie teilnehmen, hätten sie kein Problem mit der Technik. „Die bekommen einen Koffer mit Laptop hingestellt, bei dem sie nur einen Knopf drücken müssen“, erklärt sie. Aber auch für junge, mobile Menschen gibt es schon die passenden Konzepte. Sie können per Smartphone oder Tablet-PC den Kontakt aufnehmen. „Das ist, als hätte man den Therapeut in der Tasche dabei“, erklärt Matthias Keidel, der neurologische Chefarzt in der Klinik Bayreuth. Er sieht große Chancen für die Telemedizin: „Auf der einen Seite kann man auf diese Weise eine flächendeckende ärztliche Versorgung auf dem Land sicherstellen. Zum anderen gelingt es uns so, der wachsenden Zahl älterer Menschen zu begegnen.“ Für diese sei es das Beste, so lange wie möglich in ihrer vertrauten Umgebung zu bleiben – mit Hilfe der Telemedizin.

Doch wann die Therapiestudien umgesetzt werden, bleibt unsicher. „Wir hatten ein Projekt, mit dem wir bei Aphasie-Kranken – also Menschen mit schweren Sprachstörungen – gute Ergebnisse erzielt haben“, erläutert Friederike Vauth, eine Mitarbeiterin Keidels, die diese Studie geleitet hat. Das Projekt wurde vom Bayerischen Staatsministerium gefördert. Doch als die Studie abgeschlossen war, wurde die Therapie nicht weiter finanziert. „Im Moment ist dafür wohl nicht genügend Geld da“, meint Vauth.

Dennoch sind nicht nur Ärzte, sondern auch Patienten von den technischen Möglichkeiten überzeugt. Ein Kranker darf auf dem Kongress von seinen Erfahrungen mit der Telemedizin berichten. Er muss täglich seinen Blutdruck messen. Danach überträgt das Gerät die Werte an den behandelnden Arzt. „Durch diese Überwachung fühle ich mich sicher“, berichtet der Patient. Es störe ihn nicht, wenn es keine persönlichen Gespräche von Angesicht zu Angesicht gebe. „Ich kenne meinen Arzt doch. Seine Mails sind für mich nicht anonym, sondern eine individuelle Antwort.“

Gesundheitsminister Huber hofft, dass der Kongress auch der besseren Kooperation der Ärzte dienen wird. „Beginnen Sie damit, sich zu vernetzen, damit wir die Möglichkeiten der Telemedizin in Bayern noch besser nutzen können“, appelliert er an die Kongressbesucher. Man wolle keine Insellösungen. „Überall soll alles möglich sein.“