Ingolstadt
Auf ganz neuen Wegen

Nach Widerstand gegen Gleichstromtrasse Süd-Ost läuft Planung abseits der Region

17.04.2016 | Stand 02.12.2020, 19:57 Uhr

Noch mehr Freilandleitungen wie hier bei Irsching will keiner. Die Gleichstrompassage Süd-Ost kommt weitgehend unter die Erde - und verläuft zudem außerhalb der Region. - Foto: Richter

Ingolstadt (DK) Die Proteste haben Wirkung gezeigt, nun laufen die Planungen für eine neue Trassenführung. Die umstrittene Gleichstrompassage Süd-Ost soll nicht mehr unter anderem durch die Ingolstädter Region bis Meitingen bei Augsburg verlaufen, sondern östlich davon. Es gibt aber noch viele Hürden.

Die neue Route wird wohl in Wolmirstedt bei Magdeburg beginnen und auf bayerischer Seite überwiegend durch die Oberpfalz und Teile Niederbayerns gehen. Der Endpunkt soll direkt am Atomkraftwerk Isar bei Landshut liegen. "Die genaue Trasse liegt aber noch nicht fest", betonten Fiete Wulff, Sprecher der Bundesnetzagentur, und seine Kollegin Carolin Bongartz bei einem Besuch unserer Zeitung. Eine Vorgabe ist jedoch zu beachten: Die rund 400 Kilometer lange Leitung soll möglichst geradlinig verlaufen.

Der Übertragungsnetzbetreiber Tennet arbeitet gerade daran, den Korridor durch Ostbayern grob festzulegen, ebenso etwaige Alternativstrecken. Die Bundesnetzagentur in Bonn rechnet frühestens Anfang 2017 mit den Plänen und will sie eingehend prüfen. Denn "der Vorschlag von Tennet ist für uns nicht bindend", sagt Carolin Bongartz. Auch Stellungnahmen der Öffentlichkeit sollen in die Entwurfsbeurteilung einbezogen werden. Die Einleitung der Bundesfachplanung werde wohl frühestens im ersten Halbjahr 2017 erfolgen.

Die Behörde setzt nach den Protesten gegen die ursprüngliche Trasse laut eigenem Bekunden mehr denn je auf Transparenz. Entlang der vorgesehenen Route sollen im Abstand von rund 50 Kilometern sogenannte Antragskonferenzen stattfinden. "Da können die Träger öffentlicher Belange, Behörden, Verbände, aber auch die interessierte Öffentlichkeit ihre Einwände vorbringen", sagt Sprecherin Bongartz. Jeder könne sich mit Anregungen und Vorschlägen beteiligen. "Der Netzbetreiber kriegt anschließend von uns Hausarbeiten und muss nachbessern." Die modifizierten Pläne würden danach veröffentlicht, unter anderem im Internet. Erst nach weiteren Schritten - wie Erörterungsterminen - erfolge eine endgültige Trassenfestlegung.

Erdverkabelung statt Monstermasten heißt das Zauberwort, um die Bevölkerung zu beruhigen. Die Leitungen sollen überwiegend im Boden verschwinden, die gesetzlichen Voraussetzungen dazu waren eigens geschaffen worden. Das ist nicht gerade billig, die Rede ist von sechs bis neun Milliarden Euro Mehraufwand, nimmt man die beiden anderen geplanten Gleichstromtrassen von Nord nach Süd dazu. Bezahlen wird das ohnehin der Kunde, der seinen Beitrag unter dem Stichwort "Netzentgelte" auf seiner Stromrechnung finden wird. Gleichstromerdkabel haben zudem Auswirkungen auf das Umfeld, denn sie führen zu einer Bodenerwärmung von einem bis maximal drei Grad.

"Auf der Trasse dürfen außerdem nur flach wurzelnde Pflanzen wachsen, weil die Kabel zugänglich bleiben müssen", sagt Fiete Wulff. Für die Landwirte bedeute das eine Einschränkung, sie würden jedoch entschädigt. Alles in allem werden noch viele Jahre ins Land gehen, bis die Süd-Ost-Trasse Wirklichkeit sein wird. "Vor 2025 rechnen wir nicht mit der Fertigstellung", sagt Wulff. Daran, dass die Leitung notwendig ist, lässt die Bundesnetzagentur keine Zweifel. Bayern verbrauche weit mehr Strom als es selbst erzeugen kann, wenn alle Atomkraftwerke einmal abgeschaltet sind. Rechnet man alle Projekte des Netzentwicklungsplans zusammen, sollen laut einer Aufstellung der Bundesbehörde bis zu 29 Milliarden Euro in neue Leitungen investiert werden.

Kaum ein Projekt in der Region hatte so viel Widerstand nach sich gezogen wie die Gleichstrompassage Süd-Ost. Der ursprünglich geplante Verlauf war unter anderem durch die Kreise Eichstätt, Neuburg-Schrobenhausen, Neumarkt und Roth gegangen, hätte aber auch Ingolstädter Gebiet als Alternativroute tangiert. Lautstarke Protestaktionen hatten Planer und Politik aufgerüttelt, manche Reaktion war dem wenig bürgernahen Vergehen des Netzbetreibers Amprion als ursprünglichem Planer zuzuschreiben. Der anhaltende Volkszorn hatte letztlich zu einem Friedensangebot an die aufmüpfigen Freistaatler und zur jetzt anvisierten Kompromisslösung geführt.