Ingolstadt
"Sie lügen, dass sich die Balken biegen"

Bizarrer Prozess um ein Haus in Scheyern: Nach Zwangsversteigerung ziehen frühere Besitzer lange nicht aus und wollen auch noch Geld sehen

31.05.2016 | Stand 02.12.2020, 19:44 Uhr

Ingolstadt/Scheyern (DK) Der Traum vom Haus für den Ruhestand auf dem Land - so schön er scheint, so kompliziert kann er sich auch entwickeln. Diese Erfahrung haben Hans-Rüdiger Hase und seine Frau mit einem Häuschen in Scheyern gemacht. Die Streitigkeiten mit der Vorbesitzerin und ihrem Lebensgefährten ziehen sich seit drei Jahren hin - jetzt auch vor dem Landgericht Ingolstadt.

Nach dem Kauf dauert es noch sieben Monate, bis die Hases einziehen können, da die Vorbesitzer das Haus erst nicht räumen und auch später den Schlüssel nicht herausrücken. Erst mithilfe eines Schlüsseldienstes können sie sich schließlich Zutritt zu ihrem Eigentum verschaffen.

Das Amtsgericht Pfaffenhofen hat das verschuldete Paar bereits wegen versuchten Betrugs schuldig gesprochen - und Richter Konrad Riedel verhandelt seit gestern in Ingolstadt die Revision. Auch wenn noch kein Urteil gefallen ist, bemerkt Richter Riedel, bevor das Verfahren ausgesetzt wird, um eventuell weitere Zeugen zu hören: "Es schaut nicht gut aus für Sie."

Für Hans-Rüdiger Hase beginnt die Geschichte um das Haus mit der Suche nach einem Sitz für seinen Ruhestand. Er sieht sich bei Zwangsversteigerungen um und wird in Scheyern fündig: Baubeginn 2003, noch nicht ganz fertiggestellt. Er kauft das Haus - und bietet dem Paar mit Kind, das den Bau aus finanziellen Gründen nicht fertigstellen konnte, an, noch knapp vier Jahre dort als Mieter zu wohnen. "Mein Anliegen war eine möglichst gütliche Einigung." Doch die Vorbesitzerin knallt ihm, wie er sagt, die Türe vor der Nase zu. Hase unterbreitet dem Paar ein weiteres Angebot: Sie bekommen zwei weitere Monate kostenloses Wohnrecht und 3000 Euro in bar, wenn sie alles ordentlich verlassen. "Ich wollte möglichst schnell rein und vor dem Winter einige Mängel reparieren, weil ein Feuchtschaden an der Wand war", erklärt Hase. Doch er bekommt den Schlüssel nicht, stattdessen kommt ein Gegenangebot von Barbara K. und ihrem Lebensgefährten: 12 000 Euro wollen sie dafür, dass sie ausziehen, und zwar auf Grundlage eines Mietvertrags, von dem Hase bislang nichts wusste. Ebenso wenig wie Helmut Hupfer, der als Zeuge geladen ist und der das Gutachten zu dem Haus vor der Zwangsversteigerung geschrieben hatte.

Der Mietvertrag stammt angeblich aus dem Jahr 2003. Demnach vermietet Barbara K. ihrem Lebensgefährten Paul F. 20 Jahre lang das Untergeschoss des Hauses - für eine Einmalzahlung von 25 0000 Euro in bar. Hase soll nun ihrer Meinung nach knapp die Hälfte dieser Summe als Entschädigung für die nicht genutzten Mietansprüche zahlen. "Das Mietverhältnis bestand bis zur Zwangsversteigerung nicht", heißt es in dem Urteil des Amtsgerichts Pfaffenhofen dazu. Ein Trick des Paares also, um 12 000 Euro zu ergaunern, entscheidet der Richter in Pfaffenhofen. Das wollen Barbara K. und Paul F. nicht akzeptieren.

Doch auch in Ingolstadt zweifelt Richter Riedel an der Geschichte, die das Paar erzählt. Wie viele Schulden sie denn zum Zeitpunkt der Zwangsversteigerung gehabt hätte, will er wissen. Barbara K. weiß es nicht. Wann sie das Haus gekauft hätten, fragt er. 2006 gibt sie an. "Sie kann sich offensichtlich nicht mehr genau erinnern", springt ihr ihr Anwalt Alfred Holzmair bei. Baubeginn sei 2003 gewesen. Auch, was genau im Mietvertrag steht, kann Barbara K, nicht sagen. "Haben Sie ihn mal durchgelesen, bevor Sie unterschrieben haben", fragt Richter Riedel mit leichtem Sarkasmus.

"Wir haben das zur Absicherung gemacht", wendet Barbara K. ein. So stehe auch ihr Lebensgefährte im Falle einer Trennung nicht mit leeren Händen da. "Das Obergeschoss war gar nicht ausgebaut, und Sie wollten dann in der Wohnküche wohnen" Der Richter ist nicht überzeugt. Und auch Oberstaatsanwalt Nicolas Kaczynski sagt nach ihren Ausführungen: "Sie lügen, dass sich die Balken biegen." Für die 25 000 Euro in bar hat Barbara K. keinen Beleg. Die Mieteinnahmen habe sie aus Unwissenheit nicht in der Steuererklärung erwähnt. Stattdessen beschuldigt sie Hase des Stalkings, weil er so oft an der Türe geklingelt habe.

Es klingt wie ein Wink mit dem Zaunpfahl, als Richter Riedel anführt, dass ein Geständnis Bonuspunkte geben würde. "Es kann auch teurer werden oder Freiheitsstrafen geben, wenn die Kammer die Bedenken der Staatsanwaltschaft teilen würde." Erst einmal wird das Verfahren aber vertagt.