Ingolstadt
"Freie Reichsgemeinde" gewählt

Ingolstädter Politiker berichtet von "abstruser" Veranstaltung in Zuchering

20.10.2016 | Stand 02.12.2020, 19:09 Uhr

Dieses Plakat hängt an der Mitteilungstafel der Poststelle in Zuchering. - Foto: Liepold

Ingolstadt (DK) Nach der Schießerei in Georgensgmünd tritt mit den "Reichsbürgern" eine Gruppierung in den Vordergrund, deren Existenz den meisten Menschen bislang gar nicht richtig bewusst gewesen ist. Dabei gibt es in unserer Region auch einige Anhänger.

Erst Ende August wurde etwa im Sportheim in Zuchering bei Ingolstadt eine Veranstaltung abgehalten, in der die Mitglieder eine "Freie Reichsgemeinde Zuchering" gründeten.

Mittendrin: Der Ingolstädter CSU-Stadtrat und Präsident des SV Zuchering, Franz Liepold, der sich das Ganze mit einiger Verwunderung anschaute. "Das war abstrus", fasst er seine Eindrücke zusammen. Neben ihm - "ich war der einzige Fremde in der Gruppe" - seien noch zehn andere Leute dort gewesen: acht Männer und zwei Frauen. "Die Frauen waren aber nur mit dabei, wählen durften sie nicht." Die Männer hingegen hätten einen von ihnen zum "Gemeindevorsteher" gekürt, die anderen wurden die neuen "Gemeinderäte". Dabei konnte Liepold lediglich zwei Bürger ausmachen, die tatsächlich in Zuchering leben. "Die anderen kamen von irgendwo anders her." Der CSU-Stadtrat und Ingolstadts Oberbürgermeister sollten in einem Brief die neuen Amtsinhaber anerkennen. Bislang sei jedoch noch keine entsprechende Post bei ihm angekommen, sagt Liepold.

Neben der Wahl seien damals auch allerlei Reden auf dem Programm gestanden. "Die haben alles infrage gestellt, was heute in Deutschland gilt. Es ging um die Nicht-Anerkennung des Personalausweises, der Gesetze, des Steuerzahlens und, und, und." Die Mitglieder seien dem Wortführer regelrecht an den Lippen gehangen. "Für mich hatte das fast etwas Sektenartiges."

Stutzig wurde auch der Ingolstädter Historiker Hans Fegert, als sich vor einigen Wochen ein Mann bei ihm meldete und fragte, ob Fegert bereit sei, einen Vortrag zu halten. Thema sollten Katasterkarten und alte Grenzen sein. "Es war ein sehr langes Gespräch, und dieser Mann hatte ein unwahrscheinliches Wissen", sagt Fegert. "Aber irgendwie kam es mir komisch vor, als er erklärte, der Euro oder der deutsche Reisepass seien aus seiner Sicht ungültig." Zum Zeitpunkt des Telefonats habe er gar nichts von den "Reichsbürgern" gewusst - erst jetzt seien ihm die Zusammenhänge klar geworden. "Dieser Mann hat mir auch die Geschichte seines Vereins erzählt und gesagt, er hätte gerade ziemlichen Zulauf." Die Gruppe treffe sich regelmäßig in Ingolstadt. Das Ansinnen des Mannes lehnte der Historiker ab: "Ich wusste gar nicht, was genau die von mir wollen."

Beide Begebenheiten deuten darauf hin, dass "Reichsbürger" oder Gruppierungen ähnlicher Gesinnung - wie immer sie sich nennen mögen - auch in Ingolstadt vertreten sind. Im Rathaus jedoch tauchten diese Leute bisher nur vereinzelt auf. "In der Verwaltung ist das seit ungefähr einem Jahr ein Thema", meint Sprecher Michael Klarner. So hätten etwa zehn Bürger den sogenannten Staatsangehörigkeitsausweis beantragt, fünf bis sechs Personen wollten ihre Personalausweise zurückgeben. "Im Vergleich zu rund 134 000 Einwohnern", so Klarner, "ist das doch eine sehr kleine Anzahl."