Ingolstadt
Kommt das nordische Modell?

25.02.2014 | Stand 02.12.2020, 23:01 Uhr

 

Ingolstadt (dbr) Der Bericht dürfte Deutschlands Freierszene beunruhigen. Sollten die Abgeordneten des Europaparlaments heute dafür stimmen, könnte das den Umgang der Nationalstaaten mit Prostitution und Menschenhandel langfristig vollkommen verändern.

Mary Honeyball, Abgeordnete der britischen Labour Party und Teil der sozialdemokratischen Fraktion, ist die Autorin.

Der Bericht bekennt sich klar zu den Erfolgen des sogenannten nordischen Modells. In Schweden, Island und Norwegen werden Freier bestraft, sobald sie eine sexuelle Dienstleistung kaufen – die Prostituierten werden dagegen nicht bestraft, wenn sie ihre Dienste anbieten. Der Staat hilft ihnen stattdessen mit Ausstiegsprogrammen. Um zu verhindern, dass die Freier einfach ins Ausland abwandern und dort die Nachfrage auf den Prostitutionsmärkten steigern, will Honeyball das norwegische Modell übernehmen, nach dem Bürger auch bestraft werden können, wenn sie sexuelle Dienstleistungen im Ausland kaufen. „Es geht stark in Richtung nordisches Modell“, sagt Honeyball. „Die Änderungen in Frankreich und Irland zeigen das – und auch Deutschland sendet Signale, dass es bereit ist umzudenken.“

Doch nicht ganz so grundlegend. „Die Frage, wie freiwillige Prostitution bewertet wird, sollte Sache des einzelnen Mitgliedsstaates bleiben“, schreibt etwa die Europa-Parlamentsabgeordnete Angelika Niebler (CSU). Das Ergebnis der Abstimmung dürfte deshalb knapp ausfallen: Während die sozialdemokratischen Parteien eher dafür stimmen dürften, werden die Konservativen wie die CSU in Deutschland eher gegen den Bericht stimmen, weil sie die Freier nicht bestrafen wollen.

Die Akzeptanz des Berichts würde zwar keine sofortigen Konsequenzen in den Nationalstaaten haben, doch die Position des europäischen Parlaments wäre dann die des nordischen Modells. Das Parlament würde fortan Druck auf die Mitgliedsstaaten ausüben, dieses umzusetzen.

Die Gründe für den Vorstoß hat Honeyball auch aufgelistet: 80 bis 95 Prozent aller Prostituierten haben laut Studien Gewalt erlitten, bevor sie anfingen, sich zu prostituieren. 62 Prozent wurden vergewaltigt, und 68 Prozent leiden unter posttraumatischen Störungen. Das entspreche in etwa der Anteile bei Folteropfern. Daten belegten ebenfalls, dass Männer, die Sex kaufen, eher Frauen sexuell misshandeln, Gewalttaten gegen Frauen verüben und insgesamt frauenfeindlicher eingestellt sind.