Ingolstadt
"Die deutsche Küche ist besser als ihr Ruf"

Der Münchner Patrik Stäbler ist drei Monate per Anhalter durch Deutschland gereist und hat regionale Spezialitäten getestet

25.06.2012 | Stand 03.12.2020, 1:21 Uhr

Am Ende: Das Bild oben zeigt Patrik Stäbler mit Schweinsbraten, Knödel und Krautsalat auf seiner letzten Station in der Gaststätte in der Münchner Großmarkthalle. Wie man ihm auch ein wenig ansieht, lagen da bereits drei Monate Reise per Anhalter und 32 probierte traditionelle Gerichte hinter ihm – zum Beispiel Mehlpütt, Dibbelabbes, Pfefferpotthast und Schnüsch (von links) - Fotos: Oliver Bodmer/oh

Ingolstadt (DK) 3870 Kilometer ist Patrik Stäbler per Anhalter durch Deutschland gereist. Sein Ziel: In drei Monaten 32 traditionelle „landestypische Gerichte“ zu probieren. Übernachtet hat der Münchner Journalist aber nicht in Hotels, sondern bei Fremden, die auf sogenannten Couchsurfing-Plattformen im Internet eine Unterkunft anbieten.

Seine Erlebnisse hat er in einem Internet-Blog festgehalten (deutschland-isst.info). Jetzt schreibt der 32-Jährige an einem Buch, das im Frühjahr 2013 erscheinen soll. Mit unserem Redakteur Sebastian Oppenheimer hat er über seine Erlebnisse gesprochen.

Herr Stäbler, sagen Sie: Was bitte ist denn Dibbelabbes?

Patrik Stäbler: (lacht) Das ist das zweitwichtigste Gericht im Saarland: rohe geriebene Kartoffeln, die mit Speck im Backofen rausgebacken werden. Da kommt so etwas Ähnliches wie Kartoffelpuffer raus.

 

Und wie schmeckt’s?

Stäbler: Hervorragend. Das hat zu den wenigen Gerichten gehört, wo ich sagen würde, dass ich es danach auch in meinen eigenen Kochplan mit aufnehme. Es ist einfach zuzubereiten und schmeckt sehr gut.

 

Was ist nun Deutschlands bestes „landestypisches Gericht“?

Stäbler: Das bin ich während meiner Reise sehr häufig gefragt worden. Ich musste aber feststellen, dass meine Antwort darauf variiert hat. Es war eigentlich jede Woche etwas Neues, was noch präsenter im Kopf war. Insgesamt waren es ja 32 traditionelle Gerichte, die ich probiert habe – und da waren so klasse Sachen dabei, dass es mir unmöglich ist, ein einziges zu benennen.

 

Ein paar Höhepunkte?

Stäbler: Äußerst positiv überrascht war ich vom Labskaus im Hamburg. Ich hatte das zuvor noch nie gegessen. Wenn man das vor sich auf dem Teller hat, sieht das wirklich grauenhaft aus. Das ist so eine grau-rötliche Pampe. Man kann sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass das schmecken soll – aber wenn es gut gemacht ist, ist das etwas sehr, sehr Leckeres.

 

Schmeckt’s irgendwo besser als bei Mama?

Stäbler: (lacht) Das muss ich ganz klar verneinen.

 

Gab’s auch etwas, das wirklich furchtbar geschmeckt hat?

Stäbler: Richtig grauenhaft war es eigentlich nur, als ich zu McDonalds gehen musste. Da war ich in Stendal und alles andere hatte schon zu. Davon hatte ich am nächsten Tag noch Bauchweh. Aber bei den traditionellen Gerichten war nichts wirklich Ekliges dabei.

Was empfiehlt sich denn zum leichten Nachkochen?

Stäbler: Was ich jetzt schon ein paarmal gemacht habe, ist Schnüsch. Das ist ein Gemüseeintopf mit frischer Milch, dazu gibt es Kartoffeln. Mit guten Zutaten schmeckt das spitze und ist einfach zu machen.

 

Haben die Leute immer gerne ihre Rezepte hergegeben?

Stäbler: Mich hat erstaunt, wie viele ihre Rezepte mit mir geteilt haben. Es gab nur ein, zwei, die das nicht wollten. Zum Beispiel als ich im Sauerbratenpalast in Aachen war, da hat die Wirtin, noch bevor sie mich begrüßt hat, zu mir gesagt: „Mein Rezept verrat’ ich Ihnen auf gar keinen Fall.“ Da ist sie auch knallhart geblieben. Aber das war eine Ausnahme.

 

Wie schwer war es, diese Gerichte aufzustöbern?

Stäbler: Es war erstaunlich, wie die verschiedenen Regionen in Deutschland so mit ihrer Küche umgehen. Wir in Bayern sind meiner Meinung nach mit am erfolgreichsten, wenn es darum geht, die eigene Küche nach außen hin zu vermarkten. Im Norden dagegen musste ich oft lange suchen, um einen gutbürgerlichen Gasthof zu finden, der auch die traditionellen Gerichte kocht. Für das Schnüsch zum Beispiel habe ich wirklich zig Restaurants abgeklappert. Erst über den Heimatverein habe ich jemanden gefunden, der mir das gekocht hat.

Traditionelles Gericht – das hört sich irgendwie immer nach ganz schön vielen Kalorien an. Wie gesund ist denn die landestypische Küche?

Stäbler: Eher weniger. Das was heute als gutbürgerliche deutsche Hausmannskost gilt, ist ja das, was früher nur sonntags auf den Tisch kam. Oder vielleicht nur feiertags oder Weihnachten. Vieles ist deftig und sehr fleischlastig. Ich habe noch nie so viel Fleisch gegessen wie in diesen drei Monaten.

Haben Sie zugenommen?

Stäbler: Ich sag mal so: Meine Schwiegermutter in spe hat mich mit den Worten begrüßt: „Na ja, abgenommen hast du ja auf keinen Fall.“ Es sind sicher ein paar Kilo dazugekommen.

 

Hatten Sie im Rucksack gar nichts zu essen dabei?

Stäbler: Doch, ich hatte Nervennahrung dabei, weil ich ja nicht wusste, wie das mit dem Reisen per Anhalter laufen wird.

 

Was war das denn?

Stäbler: Gummibärchen (lacht).

 

Wie sind Sie auf die Idee zu dieser Reise gekommen?

Stäbler: Es gibt nichts, an dem ich so viel Spaß habe wie an Essen. Ich war auch schon viel in anderen Ländern und habe dort die Küche probiert. Irgendwann habe ich gemerkt, dass Deutschland dabei zu kurz gekommen ist.

 

Und warum per Anhalter?

Stäbler: In erster Linie ging es mir natürlich ums Essen. Aber – auch wenn sich das jetzt etwas abgedroschen anhört – ich wollte schon auch Land und Leute kennenlernen. Also nicht nur von meiner „Kapsel Auto“ in die „Kapsel Hotel“ und dann in die „Kapsel Restaurant“ gehen. Meine Unterkünfte habe ich mir über Couchsurfing-Webseiten besorgt. Häufig habe ich dann auch von meinen Gastgebern Tipps bekommen, wo man gut essen kann.

 

Aber nimmt heute noch jemand Anhalter mit?

Stäbler: Es gibt heute tatsächlich nur noch sehr, sehr wenige Anhalter. Dadurch ist aber auch die Konkurrenz gering. Außerdem war Trampen vor allem in den 70ern und 80ern sehr populär – und viele, die damals selbst auf der Straße standen, sitzen heute in den Autos. Und das sind oft die, die einen mitnehmen.

 

Findet man als „Couchsurfer“ schnell etwas?

Stäbler: Das hat mich auch überrascht. Ich hatte extra ein Zelt eingepackt und die ganzen drei Monate mit mir rumgeschleppt. Ich habe es aber nicht ein einziges Mal aufgebaut. Selbst im kleinsten Kaff habe ich jemanden gefunden, der mich aufgenommen hat. Das hätte ich nicht erwartet.

 

Gibt’s ein Fazit aus der Reise?

Stäbler: Die deutsche Küche ist viel besser als ihr Ruf. Wir stellen uns da gerne selbst in den Schatten. In jedem Ort gibt es einen Italiener, einen Griechen und einen Döner-Mann. Ich mag diese Küchen alle sehr – aber man sollte versuchen, Traditionen zu bewahren. Essen spielt in einer Kultur eine große Rolle. Ich fände es schade, wenn Gerichte aussterben würden.