Ingolstadt
"Die Quote ist kein Allheilmittel"

CSU-Politikerin Angelika Niebler bringt neue Wege der Frauenförderung in ihrer Partei ins Gespräch

05.10.2017 | Stand 02.12.2020, 17:24 Uhr
Angelika Niebler −Foto: oh

Ingolstadt/Brüssel (DK) Bei der Landesversammlung der Frauen-Union (FU) in Ingolstadt will sich die Europapolitikerin Angelika Niebler erneut zur Vorsitzenden der CSU-Arbeitsgemeinschaft wählen lassen. Vor dem heutigen Beginn des zweitägigen Treffens spricht die 54-Jährige im Interview mit unserer Zeitung über neue Frauenquoten nach der Bundestagswahl und die bevorstehenden Koalitionsverhandlungen.

Frau Niebler, in der neuen CSU-Landesgruppe in Berlin sitzen 8 Frauen und 38 Männer. Der Frauenanteil ist gesunken. Warum tut sich die FU so schwer, sich bei der Aufstellung von Kandidatinnen durchzusetzen?

Angelika Niebler: Auf der Liste waren wir wieder sehr gut vertreten, aber diesmal ist über die CSU-Liste leider niemand in den Bundestag gekommen. Schwierig ist es nach wie vor, unsere Bewerberinnen bei den Direktkandidaturen durchzusetzen, deren Nominierung in den jeweiligen Wahlkreisen erfolgt. Mit der Frage, wie wir noch zu einem höheren Frauenanteil kommen, muss sich unsere Partei in der Tat auseinandersetzen.

 

Aber unter allen CSU-Kandidaten waren nur 22 Prozent Frauen, die schlechteste Quote seit 15 Jahren. Braucht es eine Frauenquote bei den Direktmandaten?

Niebler: Ich glaube nicht, dass wir jetzt eine weitere Quotendebatte in unserer Partei führen sollten. Ich war nie der Meinung, dass die Quote ein Allheilmittel ist. Aber wenn sich so wenig bewegt, müssen wir uns schon überlegen, welche weiteren Maßnahmen noch greifen können, um die Situation zu verbessern. Unser Mentoring-Programm für Frauen in der Partei läuft seit zehn Jahren sehr erfolgreich. Sicher rührt unsere Enttäuschung auch daher, dass wir den Frauenanteil von der Bundestagswahl 2009 auf 2013 mehr als verdoppeln konnten. Nun sind wir leider wieder zurückgefallen.

 

Welche Maßnahmen haben Sie denn noch im Kopf?

Niebler: Wir haben in der CSU die Besonderheit, dass wir meist fast alle Direktmandate gewinnen und daher über die Liste nur einige wenige Kandidaten in die Parlamente einziehen. Andere Parteien holen nur Listenmandate und können daher die Struktur durch Quoten bestimmen. Bei uns ist mit Quoten schwer gegenzusteuern. Im Klartext: Auch mit einer 50-Prozent-Quote für die Bundestagsliste hätten wir keine weitere Frau in den Bundestag bekommen.

 

Aber das Ergebnis kann Sie doch nicht zufriedenstellen. Braucht es also doch eine Quote für die Direktkandidaten?

Niebler: In den Bundeswahlkreisen wird bei den Nominierungen basisdemokratisch entschieden. Dies finde ich eigentlich sehr gut. Aber, Sie haben recht, man muss weitere Möglichkeiten prüfen. Man muss darüber nachdenken, ob man mit Blick auf die Delegiertenversammlungen eine paritätischere Besetzung vorschreibt. Es gibt auch Überlegungen dahin gehend, dass die Partei sich breiter öffnen muss als nur für die Delegierten, um die Stimmkreiskandidaten zu bestimmen. Die Debatte, wie die Verfahren bei der Nominierung verändert werden können, um mehr Frauen eine Chance zu geben, muss geführt werden. Übrigens ist das Thema mehr Frauen in die Parlamente kein reines CSU-Thema. Der Frauenanteil ist in den meisten Parteien im Bundestag geringer geworden.

 

Für Ministerposten und Führungspositionen in Berlin werden Alexander Dobrindt, Joachim Herrmann, Andreas Scheuer, Gerd Müller oder Karl-Theodor zu Guttenberg genannt. Hat die FU kein geeignetes Personal in der Landesgruppe?

Niebler: Wir haben super Frauen und mir fallen zahlreiche Kolleginnen ein, die ein Ministeramt bekleiden könnten. Zum Beispiel Dorothee Bär, die als Parlamentarische Staatssekretärin einen sehr guten Job gemacht hat.

 

Aber obwohl Dorothee Bär Staatssekretärin ist, wird sie für einen Ministerposten nicht gehandelt. Müsste die FU ihre Kandidatin mal offensiver anpreisen?

Niebler: Alles zu seiner Zeit. Im Moment sind wir weit davon entfernt, zu diskutieren, wer welches Amt übernimmt. Erst müssen wir die Diskussion mit der CDU führen und unsere Positionen für mögliche Koalitionsverhandlungen festlegen, dann müssen Koalitionsverhandlungen erfolgreich abgeschlossen werden.

 

In Ingolstadt geht mit Christine Haderthauer eine einst sehr vielversprechende CSU-Frau von Bord. Was bedeutet das für die FU?

Niebler: Ich bedauere es, dass sich Christine Haderthauer aus der Landespolitik zurückzieht. Ich habe sie als Rednerin zur FU-Landesversammlung eingeladen, aber sie hat leider abgesagt. Sie war eine unserer Frontfrauen, die immer klar Position bezogen hat. Sie hat die Frauen-Union durch die Gründung vieler Ortsverbände in Ingolstadt richtig gut etabliert.

 

Ist die FU manchmal zu brav?

Niebler: In den vergangenen Jahren waren wir sehr erfolgreich. Im Bundestag haben wir die Mütterrente I, die Verschärfung des Sexualstrafrechts und die Verschärfung des Prostituiertenschutzgesetzes durchgesetzt. In unserem Wahlprogramm haben wir ein großes Familienpaket und die Mütterrente II verankert. Mit unseren Themen haben wir die Agenda bestimmt. Nicht immer ist lautes Geschrei zielführend.

 

Ist die Mütterrente II in den Koalitionsverhandlungen eine rote Linie?

Niebler: Ich bin nicht diejenige, die jetzt rote Linien formuliert. Ich werde unserem Parteivorsitzenden Horst Seehofer nicht vorgreifen. Aber für die FU sind eine Kindergelderhöhung um 25 Euro monatlich, die Einführung eines Baukindergeldes oder die gerechtere Mütterrente zentrale Themen.

 

Die Junge Union hat Angela Merkel Realitätsverweigerung vorgeworfen. Hätten Sie sich eine klarere Benennung der Wahlschlappe gewünscht?

Niebler: Es steht jeder Partei gut an, kritisch in sich zu gehen. Das Ergebnis war auch für die CDU eine herbe Enttäuschung, und das muss die CDU aufarbeiten. Wenn ich meine CDU-Kollegen im Europaparlament richtig verstehe, werden diese Debatten geführt.

 

Auf dem CSU-Parteitag im November soll auch über den Parteichef debattiert werden. Auf welche Seite schlägt sich die FU?

Niebler: Wir wollen nach vorne blicken und ein Signal der Geschlossenheit aussenden. Unsere Partei muss jetzt ihre Forderungen in einer möglicherweise schwierigen Koalition mit FDP und Grünen durchsetzen. Ob es große Personaldiskussionen geben wird, kann ich nicht abschätzen. Unser Parteivorsitzender hat die uns CSU-Frauen wichtigen Themen jedenfalls immer unterstützt und für diese gekämpft.

 

Was erwarten Sie von der Landesversammlung in Ingolstadt?

Niebler: Wir blicken nach vorne und haben viele Anträge zu landespolitischen Themen. Wir haben einen Fachkräftemangel bei Kindererzieherinnen und Pflegerinnen. Hier fordern wir eine Ausbildungsoffensive. Wir wollen die Geburtshilfe als Daseinsvorsorge im ländlichen Raum sichern. Damit wollen wir uns zuerst befassen, dann schauen wir, was auf dem Parteitag kommt.

 

Das Gespräch führte Daniel Wenisch.