Ingolstadt
Das verflixte neunte Jahr

23.09.2016 | Stand 02.12.2020, 19:16 Uhr

Ingolstadt (sic) In der guten alten Zeit, könnten Monarchisten sagen, hatte das bayerische Gymnasium selbstverständlich nur acht Jahrgangsstufen.

Im 19. Jahrhundert. Höhere Bildung gab es ausschließlich humanistisch, mit Latein und Altgriechisch. Für diese neuartigen Naturwissenschaften - so sahen es viele Altphilologen - waren die Ingenieurschulen und die Vorläufer der Realschule zuständig, aber die durften natürlich kein Abitur vergeben. Doch das Voranschreiten der Industriellen Revolution erforderte in der zweiten Jahrhunderthälfte dringend mehr technische Fachkräfte sowie Berufstätige, die Sprachen beherrschten, die auch wirklich gesprochen wurden. Preußen hatte daher schon 1837 ein neunjähriges Gymnasium mit mehr Naturwissenschaft und modernen Fremdsprachen eingeführt. Bayern folgte viel später. Nach einem zähen Ringen zwischen den Humanisten und den sogenannten Realisten verordnete König Ludwig II. 1874 seinem Land das G 9. Rainer Rupp, der Ehrenvorsitzende des Bayerischen Philologenverbands, merkt an: "Bildungsinhalte und pädagogische Gründe waren für die Einführung des neunjährigen Gymnasiums an der Schwelle zum 20. Jahrhundert maßgeblich." Als in den 1980ern CDU und FDP (nicht aber die CSU) ein verkürztes Gymnasium forderten, folgten sie jedoch den Interessen der Wirtschaft, die Rede war von einer "Entrümpelung der Lehrpläne". Rupp schmerzt dieser Begriff sehr. Er kritisiert: "Inhalte waren in der G 8-Diskussion nur vorgeschoben!"