Ingolstadt
Ärztlicher Rat per Telefon

Hotline für die Region soll Notaufnahmen entlasten und Patienten zur richtigen Stelle lotsen

09.12.2016 | Stand 02.12.2020, 18:56 Uhr

Anrufe erwünscht: Siegfried Jedamzik (l.) und Nicolas Maier-Stocker sind die Personen hinter der bayernweit einzigartigen Hotline. Unter der (0841) 886 68 66 erreicht man Ärzte in einem Callcenter. - Foto: Belzer

Ingolstadt (DK) Es ist ein deutschlandweites Problem: Die Notaufnahmen sind chronisch überfüllt. Die Folgen sind lange Wartezeiten, unzufriedene Patienten und überlastete Mitarbeiter. Das Ärztenetz GOIN möchte Abhilfe schaffen - und geht ab Montag mit einer Notfall-Hotline an den Start.

Ohnmacht, mitten in der Nacht. Schwindel, Übelkeit. Panik. Was tun? Alles halb so wild oder vielleicht doch etwas Ernstes, weswegen man so schnell wie möglich ins Krankenhaus fahren sollte? Oder schlimme Bauschmerzen, hohes Fieber - die Unsicherheit in solchen Momenten ist groß. Um auf Nummer sicher zu gehen, fahren viele vorsorglich in die Notaufnahme. Eine Konsultation beim Arzt wirkt beruhigend. Oft lösen sich die Sorgen dort aber in Luft auf, oft hilft eine einfache Behandlung.

Die Konsequenz lautet jedoch: Die Notaufnahmen geraten an ihre Kapazitätsgrenzen - und darüber hinaus. Das medizinische Personal ist landauf landab völlig überfordert mit den vielen Patienten, die nicht akut behandelt werden müssen, aber dennoch mit ihren Leiden in der Notaufnahme aufschlagen. Die Wartezeiten werden länger und länger.

60 000 Menschen suchen jährlich am Klinikum Ingolstadt Hilfe - um diese Zahl zu minimieren, starten das Ärztenetzwerk GOIN und die Bayerische Telemed-Allianz (BTA) eine Notfall-Hotline. Unter der Rufnummer (0841) 886 68 66 erreichen Patienten rund um die Uhr am anderen Ende der Leitung Ärzte, die anhand der beschriebenen Symptome und eines Frage-Katalogs bewerten, wie der Anrufer weiter vorgehen soll.

Die Idee für eine Notfall-Hotline in der Region ist nicht ganz neu. Es ist zweieinhalb Jahre her, dass GOIN und die BTA - der Allgemeinarzt Siegfried Jedamzik ist Geschäftsführer beider Firmen - erste Gespräche mit dem Klinikum über eine Kooperation geführt haben. Mit dem Abgang von Geschäftsführer Heribert Fastenmeier jedoch kam das vorläufige Aus dieser Zusammenarbeit. Dennoch: Die Notfall-Hotline mit dem Namen "GOINakut" war damit nicht gestorben, am kommenden Montag beginnt eine halbjährige Testphase.

"Ähnliche medizinische Notfall-Nummern gibt es bereits in vielen anderen Ländern", erklärt der Projektmanager Nicolas Maier-Stocker. "Aus der Schweiz beispielsweise gibt es Zahlen, wonach nur ein Fünftel der Patienten, die anrufen, sofort von einem Arzt behandelt werden müssen." Bei anderen reiche es mitunter aus, dass sie am nächsten Tag ihren Haus- oder einen Facharzt aufsuchen. Wiederum anderen sei bereits mit einer medizinischen Auskunft geholfen, nach der man sich mit entsprechenden Medikamenten selbst behandeln kann.

10 bis 15 Minuten kann so ein Gespräch mit einem Arzt dauern, bis geklärt ist, wie das weitere Vorgehen des Patienten aussehen soll. In der Testphase sind es neun Allgemein- und Fachärzte, die die Telefonate annehmen und die Menschen dorthin navigieren, wo sie auch wirklich hingehören. "Der Arzt stellt keine Diagnose. Er schätzt die Dringlichkeit ein", stellt der Projektleiter klar. Der Fragenkatalog sei extrem vorsichtig aufgebaut, damit niemand auf den falschen Weg gelotst werde. "Im Zweifel schicken die Ärzte einen Patienten zum Arzt oder ins Krankenhaus, um Fehler zu vermeiden." In der Schweiz, wo mit einem ähnlichen System gearbeitet wird, habe es aber bei sechs Millionen Anrufen keinen Zwischenfall gegeben. Sprich: Es ist niemandem geraten worden, daheimzubleiben, der aber doch akute Behandlung nötig gehabt hätte. Sollte dennoch mal etwas passieren und der Haftungsfall eintreten, ist GOIN entsprechend versichert.

In den ersten sechs Monaten erwarten die Verantwortlichen etwa 2500 Anrufe aus der gesamten Region 10. Am Ende der Testphase wird eine Auswertung erfolgen - darum kümmert sich die TH Deggendorf. Wenn die Zahlen belegen können, dass die Bereitschaftspraxen und Notaufnahmen der Krankenhäuser in der Region spürbar entlastet werden, dann soll neu verhandelt werden. Denn der Service kostet freilich Geld - die Ärzte im Callcenter müssen ebenso bezahlt werden wie die technische Infrastruktur drum herum. An den Ausgaben, die derzeit GOIN und die BTA tragen, sollen sich bestenfalls die Krankenhäuser, Versicherungen und Kassenärztlichen Vereinigungen beteiligen. Für den Anrufer ist die Notfall-Hotline jedoch kostenlos.