Ingolstadt
Haarspalterei im Gerichtssaal

Farbstich und Klebestellen: Wie der Gang zu einem Ingolstädter Friseur mit einer Zivilklage endete

13.03.2018 | Stand 02.12.2020, 16:42 Uhr

Ingolstadt (DK) Mit haarigen Sachen, im übertragenen Sinn, kennt die Justiz sich aus. Ob bei Betrug, Mord oder Totschlag - wenn der Angeklagte alle Schuld von sich weist, läuft es auf einen Indizienprozess hinaus. Da müssen Staatsanwaltschaft und Verteidigung alle Register ziehen.

Im Zivilrecht geht es für Kläger und Beklagten dagegen oft auch darum, nicht das Gesicht zu verlieren. Wie gestern bei einem Fall echter Haarspalterei am Amtsgericht Ingolstadt.

Was war passiert? Eine 23-jährige Frau aus dem Neuburger Land lässt sich im vergangenen Mai bei einem stadtbekannten Friseur in Ingolstadt eine Haarverlängerung machen. Kostenpunkt: satte 620 Euro. Allerdings macht die junge Frau einige Wochen später nicht nur ein Haar in der Suppe geltend: Die Klebestellen zwischen Naturhaar und Verlängerung seien sichtbar, die angefügten Teile würden zudem einen Rotstich aufweisen. Fotos belegen: So unrecht hat sie wohl nicht.

Die Kundin verlangt Nachbesserung, erhält sie auch, soll aber weitere 80 Euro drauflegen, weil der Salon keinen Mangel sieht. Die 23-Jährige weigert sich, zumal sie sich mit der handwerklichen Ausführung noch immer nicht zufrieden zeigt. Sie sucht einen Anwalt auf und lässt ihn mit Fristsetzung auf eine weitere Nachbesserung pochen. Weil es dazu nicht kommt, bringt sie die Sache schließlich bei einem Friseur in München in Ordnung. Dafür zahlt sie 165 Euro, die sie nun von dem Ingolstädter Salon wiederhaben will. Dort verweigert man die Erstattung, die Sache landet vor dem Zivilgericht.

Also marschieren die Parteien mit ihren Anwälten auf. "Genau das habe ich vermeiden wollen", seufzt die Richterin angesichts des geringen Streitwerts. Ein wenig schmunzeln muss sie dennoch. Sie habe jetzt schon vier Zeugen vorgeladen, womöglich muss auch ein Sachverständiger her. Der sei teuer: "Ich habe noch keine Rechnung unter 1500 Euro unterschrieben", berichtet sie von ihren Erfahrungen mit Gutachtern. Eine kostspielige Angelegenheit für denjenigen, der hier unterliegt.

Die Richterin versteht ihr Geschäft und hakt nach: Sie habe doch im Vorfeld einen Vorschlag zur gütlichen Einigung gemacht: Der Friseur möge der Kundin Pflegeprodukte im Wert von 160 Euro als Wiedergutmachung überlassen, und gut ist's. "Ich dachte, das ist eine Mega-Idee, wo doch das Vertrauensverhältnis zerstört ist." Alternativ könnte der Salon 110 Euro an die enttäuschte Frau zahlen.

Haare lassen, sprich nachgeben, will aber zunächst keine von beiden Seiten. "Wir haben nichts falsch gemacht", betont die Vertreterin des Salons. "Oh doch", entgegnet ihr Gegenüber. Dann ein erster Konsens: Man hätte sich das alles hier sparen können, sind zumindest die Anwälte sich einig.

Das nutzt die Richterin geschickt für einen Vorstoß: Jeder möge die Hälfte der 165 Euro, also 82,50 Euro, übernehmen "damit sind sämtliche wechselseitigen Ansprüche abgegolten". Die Anwälte tuscheln mit ihren Mandanten, sie schlagen ein. Erleichterte Gesichter, keiner muss sich graue Haare wachsen lassen, wie es ausgeht. Manchmal sind Lösungen einfach - man muss nur miteinander reden.